Aparicio schrieb nicht "EinwanderInnen", er schrieb "Exoten ins Rathaus". Diese ganze Trennung zwischen Deutschen und Nichtdeutschen war ihm zuwider. Den 17. Juni 1989 funktionierte er um zum "Tag der deutschen Vielheit", sprach ironisch von "nichtdeutschen InländerInnen" und stellte dem seit 1975 bundesweit veranstalteten "Tag des ausländischen Mitbürgers", heute Interkulturelle Woche, einen "Tag des deutschen Mitbürgers" gegenüber. "Die Menschen, die in einer Stadt leben, müssen das Recht haben zu bestimmen, was da passiert", so beschreibt Stingele Aparicios Haltung.
Auf einer großen Veranstaltung im Theaterhaus interviewte er Oberbürgermeister Manfred Rommel. Der zeigte sich angetan von Aparicio und seinen Ideen – ganz anders als manche seiner CDU-Parteigenossen. Dies war der eigentliche Beginn des viel gerühmten Stuttgarter Wegs zur Integration. Ob es ums Kochen ging oder um Literatur: Aparicio war gern unter Menschen, und er organisierte die Anlässe dafür. "Tropisches Deutschland" hieß eine Reihe, zu der er Autoren wie Zafer Şenocak oder José F. A. Oliver in die Stadtbücherei einlud.
Um zu verstehen, wie er dazu kam, muss man etwas über seine Herkunft wissen. 1940 in Miranda de Ebro, an der Grenze zum Baskenland geboren, ist Aparicio in der Franco-Diktatur aufgewachsen. Sein Vater war bei der Guardia Civil. Im Alter von vier Jahren lernte er lesen und schreiben und übersprang dann auf Anhieb zwei Klassen. Damals suchten die Jesuiten aktiv nach hochbegabten Kindern. So kam er ins Internat, studierte Philosophie und Theologie und wurde für kurze Zeit Priester. Den Jesuiten verdankte er, wie er selbst sagte, seine umfassende Bildung.
In einer Veranstaltung in München lernte er seine spätere Frau Josefine Vogl kennen. Für sieben Jahre blieb es beim Briefkontakt. Und es wäre dabei geblieben, wäre er nicht in der Zwischenzeit zu der Erkenntnis gelangt, dass es Gott nicht gibt. Er bat Papst Paul VI. um Suspendierung vom Priesteramt – was der ablehnte. Dennoch zog er nach Berlin, heiratete, ging nach Aachen als evangelischer Studentenpfarrer, dann zu Brot für die Welt und nach Stuttgart. Damit kehrte er der Kirche endgültig den Rücken.
Ein Künstler der Andeutung, ein Wegbereiter
Er unterrichtete Spanisch und schrieb Gedichte – auf Deutsch. Sein Sprachunterricht war kein gewöhnlicher, denn er machte seine Schüler auf die feinen Unterschiede zwischen den Sprachen und Mentalitäten aufmerksam. Und auf die Künste der Andeutung, die in Diktaturen eine so wichtige Rolle spielen. Daraus entstand die Buchreihe "Spanisch für Besserwisser" – der Renner des Schmetterling Verlags, der die Reihe in anderen Sprachen fortführte, während Apa, der gern kochte, zwei Bändchen "Spanisch für Besseresser" hinzufügte.
"Das jüngste Gericht" heißt ein weiteres Buch von ihm. Es trägt den Untertitel "Was kocht im Stuttgarter Osten?", hervorgegangen aus einer Reihe im "Werk". "Lob der Pellkartoffel" ist ein "literarisches Kochbuch für Deutsche, Halbdeutsche und Undeutsche". Den Titel "Der Schlangenkunde" muss man zweimal lesen. Ja, da steht der maskuline Artikel, denn es geht um den Kunden, der Schlange steht.
Im Freien Radio diskutierte er mit Harald Stingele über den Gablenberger Schmalzmarkt: ein beliebter Platz im Zentrum des beschaulichen Stadtteils. Doch wo heute ein Brunnen steht, war ein jüdischer Hausbesitzer enteignet worden. Damals gab es in Stuttgart noch keine Stolpersteine. Und wie Harald Stingele sagt, hatten sie auch von dem Kölner Künstler Günter Demnig noch nichts gehört. Allerdings hatten sie 1988, fünfzig Jahre nach der Reichspogromnacht, begonnen Zeitzeugen im Stadtteil zu befragen, um das Schweigen über die NS-Geschichte zu durchbrechen. Daraus wurde 1998 die Stolperstein-Initiative Stuttgart-Ost, die dann auf andere Stadtteile übergriff.
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