In der Kontext-Ausgabe 458 berichteten wir im Artikel "Arbeiten in der Tabuzone" zum Thema Schwangerschaftsabbruch auch über die Klinik Stapf, die 2015 nach 24 Jahren wegen massiver Hetzkampagnen der AbtreibungsgegnerInnen keine Räume mehr fand, um ihre Arbeit in Stuttgart fortführen zu können. Heute führt der Arzt Friedrich Stapf eine Privatklinik für Schwangerschaftsabbruch in München-Freiham, einem neuen Viertel am Stadtrand. Die Klinik auf etwa 400 Quadratmetern im zweiten Stock eines Gesundheitszentrums, das direkt an der S-Bahn-Haltestelle steht, ist hell, modern und macht einen freundlichen Eindruck. Friedrich Stapf (74) wirkt müde, spricht schnell und ohne Unterbrechung.
Herr Stapf, Sie mussten unser Interview kurzfristig verschieben, weil Sie sich um einen besonderen Notfall kümmern mussten.
Ja, es handelt sich um eine Frau, die vor ein paar Jahren eine sehr komplizierte, schwere Geburt hatte und bei der kurz danach eine Krebserkrankung diagnostiziert wurde. Die Frau wurde zwar wieder gesund, aber leidet seitdem unter Angststörungen. Sie hatte panische Angst, schwanger zu werden. Als es dann unglücklicherweise doch passierte, musste sie psychologisch behandelt werden. Sie kann das Kind nicht austragen. Eigentlich ist das ein Fall für die medizinische Indikation. Aber kein Krankenhaus hier will den Abbruch machen. Dem Kind ginge es ja gut, sagen die. Aber das ist eine völlige Sinnentstellung der medizinischen Indikation, die ja dann greifen soll, wenn die körperliche oder geistige Gesundheit der Frau durch eine Geburt gefährdet würde. Die Krankenhäuser akzeptieren das aber nur, wenn die Frau vom Tode bedroht ist, was so gut wie nie vorkommt, oder ein schwerstbehindertes Kind geboren würde, das nicht lebensfähig ist.
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