Im letzten Akt seines Berufslebens trägt Anton Schlecker (72) seinen dunklen Rolli wie ein Büßerhemd im Saal 1 des Stuttgarter Landgerichts. Die 11. Große Wirtschaftsstrafkammer hat ihn und seine Familie dort zur Anwesenheit verpflichtet. Verhandelt wird bis in den Oktober hinein über mögliche Verstöße in der wilden Schlussphase seines Lebens als Drogerie-König. Ein Titel, dem ihm die Wirtschaftsmedien anhängten. Dabei hatte der Toni, wie seine Entourage ihn bis zum Absturz nennen darf, einst lediglich die Metzgerbluse mit Versace-Hemden getauscht. Drin steckte weiter der Toni, der Billigheimer, der zur preisgünstigen Blutwurst auch Wässerchen, Salben und Pillen in Tuben, Tiegeln und Tüten verhökert.
Es war die Zeit als Schlecker, jüngster Metzgermeister im Ländle, den die vorausschauende Karriereplanung seiner Mutter vor der Kümmerexistenz eines Schullehrers bewahrt haben soll, zusammen mit dem Ulmer Friseur Müller, dem Drogistenlehrling Dirk Roßmann und anderen auf Wirtschaftskapitän umschulte und sie sich daran machten, den wachsenden Bedarf der Bundesrepublikaner an Duft- und Reinigungswässern in schnell wachsenden Filialnetzen zu bedienen und zu stimulieren. Mit durchschlagendem Erfolg.
Das Blau-Weiß der Metzgerbluse ist geblieben
Dem Blau-Weiß seiner Metzgerbluse blieb der Toni mit der Farbe seiner Discountläden genauso treu wie anderem, was seinem Vater, Anton I., bereits heilig war. Schaffer waren beide, von früh bis spät. Das war ihr Leben. Darin unterschieden sie sich nicht von ihrer Umgebung. In Äußerlichkeiten vielleicht. Wenn ihre Nachbarn das Gartentor öffnen und in der Früh mit ihrem liebevoll gepflegten Golf zum Arbeitsplatz rollen, öffnet sich das Tor in der blickdichten Natursteinmauer um die Schleckerschen Eigenheime selbsttätig und Toni röhrt in einem Testarossa oder anderem Edelblech zum Schreibtisch ins "Schleckerland". Nichts als Äußerlichkeiten in der Wohlstandsrepublik.
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