Der Plan scheiterte mit weitreichenden Konsequenzen. Denn die, die dagegen argumentierten, sprachen nicht mehr vom guten Geld, das verdient werden könne mit den fünf Ringen. Stattdessen waren Unsummen, mit denen sie Austragern, Sponsoren und den eigenen Funktionären winkten, zu scheffeln mit einem neu angekurbelten Rechte- und Lizenzenverkauf. 1980 wurde der Franco-Freund Juan Antonio Samaranch, bekennendes Mitglied des faschistischen Movimento Nacional, IOC-Präsident. Und er machte, urteilt die sehenswerte SWR-Produktion "Die Sportfalle – Wie Olympia und Co die Gastgeber knebeln", die ganze Unternehmung zur "Geldmaschine". Die Zahlen sprechen für sich: 1984 in Sarajewo und Los Angeles – nach Montreal die dritten Spiele in Folge, die von vielen Nationen boykottiert wurden – brachte das Geschäft mit der TV-Übertragung 350 Millionen Euro ein. 2014 und 2016, der Sommer-Zyklus ist willkürlich seit gut 20 Jahren vom Winter-Zyklus getrennt, damit das Spektakel nicht mehr dem Spektakel Konkurrenz macht, hatten sich diese Einnahmen verzehnfacht auf 3,35 Milliarden.
Das Innsbrucker Olympiamärchen
Wie ein Märchen liest sich demgegenüber die Abschlussbilanz von Innsbruck 1964. Der Kartenverkauf war eine Haupteinnahmequelle. Fast eine Million Zuschauer wurden an zwölf Tagen vor Ort gezählt, mehr als ein Viertel davon bei den alpinen Skiwettbewerben, und 1200 Journalisten aus 34 Ländern. Die Gesamtausgaben, mit allen Bauten und dem Olympischen Dorf, lagen umgerechnet bei rund acht Millionen Euro, die Einnahmen bei 6,3 Millionen. Das Defizit steckten Stadt, Land und Bund locker weg. 50 Jahre später kostete der Winterwahnsinn von Sotschi 2014 rund 50 Milliarden und damit mehr als 6000 Mal so viel. Das Defizit wird geheim gehalten. Dafür hat die "New York Times" kürzlich aufgedeckt, dass die Dopingproben von mindestens 15 gedopten russischen Medaillengewinnern heimlich nachts gegen sauberen Urin ausgetauscht wurden – auf höheren Befehl.
Zwischen Montreal und Rio oder Tokio im Jahr 2020, zwischen Denver und Pyeongchang liegen jede Menge Absagen an Olympias Mächtige: In Krakau und Zakopane hat die Bürgerschaft gegen eine Bewerbung gestimmt, in Graubünden, in Stockholm, in Hamburg, inzwischen auch in München, in Boston oder Toronto. Andere Interessenten scheiterten schon vor einer Machbarkeitsstudie und dem Start ins nicht eben billige offizielle Bewerbungsritual, weil ausreichend viele Menschen "No Olympia"-Initiativen mit immer neuen Aktionen unterstützten. Als vor zwei Jahren von den Herren, die nicht mehr die Ringe, sondern die Milliardengewinne im Blick haben, Berlin ins Gespräch gebracht wurde, verankerte sich der Widerstand rasch in der Bevölkerung. Der Stuttgart-21-Fan und frühere Amtschef im CDU-Verkehrsministerium, Bernhard Bauer, zog, in seiner Funktion als Handball-Verbandspräsident, verärgert einen Schluss, nicht erkennend, wie richtig er lag: Wenn das hier in Berlin so laufe wie in Stuttgart, dann seien derartige Großprojekte in Deutschland eben nicht mehr möglich.
"Olympische Spiele und Demokratie verstehen sich schlecht", schreibt der Schweizer Journalist Bruno Kaufmann, der es für "unwahrscheinlich" hält, "dass sich das bald ändern wird". Deshalb vergab das am Thema Menschenrechte gänzlich desinteressierte Olympische Komitee die Winterspiele 2022 an Peking. Schon die Sommerspiele von 2008 hatten nichts an Unterdrückung, Zensur oder politischer Willkür in China geändert und erst recht nichts daran, dass Regime- und Veranstaltungskritiker im Kerker verschwanden. Da nimmt sich banal aus, dass in der Smoghauptstadt der Welt selbstredend kein Naturschnee fällt.
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Werner
am 17.08.2016