Seine PatientInnen sind davon überzeugt: Matthias Jentzsch ist ein guter Arzt. Auf Online-Bewertungsplattformen hagelt es fast durch die Bank Einser und positive Kommentare. Nur einmal findet jemand, dass er das nicht sei. "Das war ein Patient, der die Praxisgebühr nicht bezahlen wollte und einen Aufstand gemacht hat", erklärt der 55-jährige Internist. Jentzsch hat einen trockenen Humor. Aufgeregt geht anders. Seine Beliebtheit beschert ihm sogar einen Anruf einer IT-Firma, die ihm anbietet, für ein Entgelt alle anderen Ärzte im direkten Umfeld nicht anzuzeigen bei der Online-Suche. "Völlig absurd", stellt er fest.
Wie dehnbar die Dimension des Wörtchens "absurd" doch ist, fällt auf, wenn man die Veröffentlichungen des Recherchekollektivs Correctiv betrachtet. In einer <link https: correctiv.org recherchen euros-fuer-aerzte datenbank internal-link-new-window>Datenbank sind 20 000 Ärzte samt Adressen gelistet, die zusammen 119 Millionen Euro von Pharmakonzernen kassiert haben. Für Vorträge. Für Fortbildungen. Für Reisen.
Matthias Jentzsch steht nicht auf der Liste bezahlter Ärzte. Er wurde, wie seine Praxiskollegen, nie diesbezüglich angefragt. "Weißt du, ob wir irgendwann mal Post bekommen haben?", ruft er seinen Kollegen durch einen Türspalt im Nebenzimmer zu. "Äh, keine Ahnung, glaub nicht", antwortet eine Stimme zurück. "Wenn ich doch was in der Richtung von der Pharmaindustrie bekommen hätte, kann's gut sein, dass ich's einfach ungeöffnet weggeschmissen hab", sagt Jentzsch gleichgültig. Das Skandalgewitter, das sich in den vergangen Jahren über der Pillenindustrie und subventionierten Ärzten entladen hat, tangiert ihn und seine Kollegen nicht. Das höchste der Gefühle war ein Pharmareferent, der vor Jahren plötzlich in seinem Behandlungszimmer stand und wissen wollte, ob seine Kinder Interesse an Märklin-Eisenbahnen hätten. Der Papa jedenfalls war nicht interessiert. Seit zehn Jahren komme niemand mehr mit derartigen "Geschenken" vorbei. Ein guter Ruf spricht sich auch bei Pharmavertretern herum.
"Ich hab keine Zeit für solche Sachen", erklärt der gebürtige Schwieberdinger. Die Praxis brummt. Neben den Sprechstunden flitzt er mit seiner schwarzen Vespa zu Hausbesuchen und zu Schwerstkranken ins Hospiz. Ob jemand gesetzlich oder privat versichert ist, kümmert ihn nicht. Für Jentzsch steht der Mensch im Mittelpunkt – und die Suche nach seiner jeweils besten Behandlung. Da kann es schon mal vorkommen, dass er vor der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) erklären muss, weshalb er über dem pro Kopf veranschlagten Arzneimittel-Budget liegt. Demnach sollte er für die Altersgruppe 16 bis 49 Jahre nicht über 30,95 Euro im Quartal kommen. Für PatientInnen ab 65 Jahre sind 148,05 Euro festgesetzt. Jedes Rezept, das die Praxis verlässt, wird von der KV überprüft. Wenn er unbegründet über dem Budget liegt, muss er selbst blechen. Klar, hat er die Zahlen irgendwo im Hinterkopf. Im konkreten Fall interessieren sie ihn aber wenig, dann zählt, was er medizinisch für richtig hält.
3 Kommentare verfügbar
ketzer
am 30.07.2016Keine Glücksteigerung ab mehr als 60 000 pro Jahr.
Entscheidungen nicht gegenrechnen!
Das muß sich doch alles rechnen und tragen!
- Nein, es muß Gewinn…