Wir fragen nicht, woher kommst du? Wir fragen, was ist passiert? Das Gesetz der Gastfreundschaft und das Gesetz des Meeres sind älter als jegliche Konvention. "Siamo gente di mare", wir sind Seeleute, so sagt man auf der Insel. "Wenn es etwas gibt, was Lampedusa beibringen kann, dann ist es das Einfachste der Welt: Ein Mensch in Schwierigkeiten ist ein Bruder ohne Farbe oder Religion. Und um zu helfen oder um Hilfe zu bitten, muss man nicht dieselbe Sprache sprechen. Wenn wir hier auf Lampedusa Hilfe leisten, fragen wir nicht 'Woher kommst du?' oder 'Welchen Glauben hast du?' Wir fragen: 'Was ist dir passiert?'"
Im Jahr 2011, dem Jahr der tunesischen Revolution, hat die Insel – sie zählt knapp 6000 Einwohner – über 100 000 Menschen aufgenommen. "Lampedusa hat keine Angst vor den Ankommenden. Für uns sind das keine Nummern, sondern Personen. Wir sehen sie, wenn sie ankommen, wir haben Kontakt mit ihnen, ihren Sorgen und ihren Hoffnungen," so Giusi Nicolini in einem Gespräch.
Im Frühjahr 2012 wurde Giusi Nicolini zur Bürgermeisterin gewählt. Sie ist immer schon eine streitbare Frau und ein kämpferischer, kritischer Geist gewesen. Aktiv in der kommunistischen Jugendorganisation FGCI (1970/1980er), als Vizebürgermeisterin und als Aktivistin der Umweltorganisation "Lega Ambiente" hat sie, auch gegen Interessen und zähe Widerstände am Ort (hier wie da betoniert man gerne die Zukunft zu), gegen Klientelismus, Korruption, den Verkauf von Gemeindeland gekämpft. Sie hat "La riserva", ein Naturschutzgebiet, durchgesetzt, die "l'isola dei conigli" zu einem der schönsten Strände des Mittelmeeres erkoren und damit auch die Grundlagen für das Auskommen der Einheimischen im Tourismussektor gelegt. Doch sie läßt sich nicht darauf ein, Tourismus (also erwünschte Mobilität) gegen unerwünschte Mobilität, humanitäre Hilfe gegen politische Veränderung auszuspielen.
Und immer wieder appelliert die Bürgermeisterin an die EU
Kaum im Amt, hat die "sindaco gentile che accoglie l'umanità", die "menschliche" Bürgermeisterin, die die Menschheit willkommen heißt, einen dringlichen Appell an die EU gerichtet:
"Ich bin über die Gleichgültigkeit entrüstet, die alle angesteckt zu haben scheint. Ich bin entrüstet über das Schweigen Europas, das gerade den Friedensnobelpreis erhalten hat, und nichts sagt, obwohl hier die Zahl der Toten daran glauben lässt, es wäre Krieg. Ich bin mehr und mehr davon überzeugt, dass die europäische Einwanderungspolitik den Tod dieser Menschen billigend in Kauf nimmt, um die Migration einzudämmen. Vielleicht betrachtet sie sie sogar als Abschreckung. Aber wenn für diese Menschen die Reise auf den Kähnen der letzte Funken Hoffnung ist, dann meine ich, dass ihr Tod für Europa eine Schande ist."
1 Kommentar verfügbar
Peter Grohmann
am 15.12.2015und immer das "S" bei AnStifter in Versalien:
Es ischt ein Eigenname