So schnell sich die Stimmung hochgeschaukelt hat, so schnell beruhigt sich die Lage. Weil gegen den Mann nichts vorliegt, darf er seinen Weg fortsetzen. "Ist es eigentlich erlaubt, Gras zu kaufen?", fragt er noch, bevor er langsam davontrottet. Auf der Zeil, der Shoppingmeile von Frankfurt, sind solche Szenen alltäglich. Die Kluft zwischen Arm und Reich ist hier greifbar. Banker im feinen Zwirn treffen auf Obdachlose, die neben den Eingängen von Edelboutiquen schlafen. Auf der Zeil dreht sich alles um den Konsum, aber nicht nur um den legalen: Das Einkaufsparadies gilt gleichzeitig als notorischer Drogenumschlagplatz, weshalb das Land Hessen die Bodycams genau dort testet. Wer bei einer Kontrolle gefilmt wird – so die Hoffnung der Polizei –, überlegt es sich zweimal, einen Beamten anzugreifen.
Ein Video hätte Klarheit geschaffen
In Frankfurt sind die kleinen Körperkameras seit über einem Jahr an Brennpunkten im Einsatz. Im Stadtteil Alt-Sachsenhausen, einem beliebten Kneipenviertel, sind die Angriffe auf Beamte seither um 37,5 Prozent zurückgegangen, vermeldet die Polizei. "Die Erfahrungen sind durchweg positiv; ihr Einsatz hat oftmals präventive Wirkung", heißt es vonseiten des hessischen Innenministeriums. Daher werde man das Pilotprojekt nun flächendeckend ausweiten. Insgesamt 72 Kamerasysteme für je 1500 Euro schafft das Bundesland an. Sie sollen, wie bisher in Frankfurt, ausschließlich an Brennpunkten eingesetzt werden.
Bodycams sind ein relativ neues Hilfsmittel der Polizeiarbeit. Genutzt werden die Geräte bisher vor allem in den Vereinigten Staaten. Seit dem vergangenen Jahr fordern Bürgerrechtler eine drastische Ausweitung der Kameras, die dazu dienen sollen, aggressive Beamte zu disziplinieren. Im August 2014 hatte ein Polizist im US-Bundesstaat Missouri einen unbewaffneten schwarzen Teenager erschossen und damit landesweite Proteste ausgelöst. Über den genauen Hergang der tödlichen Kontrolle gibt es bis heute Spekulationen – ein Video hätte womöglich Klarheit geschaffen. Umgekehrt können Bodycams auch Beamte entlasten, denen zu Unrecht ein Vergehen vorgeworfen wird. Selbst das Weiße Haus hält diese Argumentation für stichhaltig und will in den nächsten drei Jahren 263 Millionen US-Dollar zur Verfügung stellen, um 50 000 neue Bodycams anzuschaffen.
Die Begeisterung für das "dritte Auge" der Polizei schwappt allmählich auch nach Deutschland über, und das über Parteigrenzen hinweg. In Berlin bekundet der konservative Innensenator Frank Henkel, er sei "sehr aufgeschlossen" gegenüber der neuen Technik. Und auch im grün-rot regierten Baden-Württemberg denkt das Innenministerium laut über die Einführung der neuen Technik nach. Die Bundespolizei bereitet sich nach eigenen Angaben ebenfalls auf die Einführung von Bodycams vor, wenngleich ein konkreter Zeitpunkt noch nicht bekannt sei.
Polizisten entscheiden selbst, wenn sie filmen
Doch es gibt auch Widerstand, wie sich am Beispiel vom Hamburg zeigt. Johannes Caspar, der Datenschutzbeauftragte der Hansestadt, stört sich vor allem an den Tonaufzeichnungen. "So etwas stellt kein Vertrauen her", sagt Caspar. "Sobald eine Videoaufzeichnung gestartet wird, ist die abschreckende Wirkung erfüllt. Dazu braucht es keine zusätzliche Tonaufnahme." Auch den Umfang des "Bodycam-Gesetzes", das der Hamburger Senat mehrheitlich beschlossen hat, lehnt der Datenschützer ab. "Der Begriff 'technisches Mittel' kann im Grunde alles bedeuten. Er beschränkt sich nicht auf Bodycams, für die die Regelung geschaffen wurde, sondern erlaubt auch den Einsatz aller anderen Kameras."
3 Kommentare verfügbar
DoriDK
am 17.04.2015Seit dem 30.9.10 ist bei vielen das Vertrauen in die Staatsgewalt gestört oder zerstört.
Eingestellte…