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Hass-Attacken auf Flüchtlingsunterkünfte

Hass-Attacken auf Flüchtlingsunterkünfte
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Kürzlich wurde eine geplante Unterkunft für Flüchtlinge im südbadischen Malterdingen unter Wasser gesetzt. Ein fremdenfeindlicher Hintergrund gilt als wahrscheinlich. Wie rechtsextreme Organisationen steigende Flüchtlingszahlen für ihre Progaganda nutzen.

Asyl und Zuwanderung sind seit 2013 wieder zentrales Agitationsthema der rechtsextremen Szene. Parallel dazu ist ein Anstieg der Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte zu beobachten.

Verstärkt sind (geplante) Flüchtlingsunterkünfte – und Flüchtlinge – Angriffsobjekte von aktionsorientierten Rechtsextremisten. Fremdenfeindlicher Hass entlädt sich als Gewalt, Protest schlägt in Militanz um. Auch in Baden-Württemberg. Die Generalbundesanwaltschaft (GBA) in Karlsruhe sieht in den erfolgten Angriffen auf Flüchtlingsheime eine "besondere Gefahr für den Rechtsfrieden" und beobachtet diese Sachverhalte mit "erhöhter Aufmerksamkeit", erklärte die Bundesregierung im Mai 2014. 

Flüchtlingsunterkunft unter Wasser gesetzt

Zwischen dem 6. und 8. März 2015 haben Unbekannte eine geplante Unterkunft für Asylbewerber in Malterdingen (Landkreis Emmendingen) im nördlichen Breisgau unter Wasser gesetzt und Abflussrohre abgerissen. Die Polizei beziffert den Sachschaden auf mehrere tausend Euro. Die im September 2013 in Heidelberg gegründete Neonazi-Partei "Der dritte Weg" kommentierte den Übergriff mit den Worten: "Sollten Personen, die sich gegen die zunehmende Überfremdung ihrer Heimat zur Wehr setzen, hinter dieser Aktion stecken, dann haben sie ihr Ziel erreicht. Vorerst kommen keine Asylanten nach Malterdingen – wir würden uns wünschen, dass es auch dabei bleibt." Die Partei, der bislang wenige hundert Mitglieder angehören, versteht sich als Alternative zur NPD und vertritt einen ausgeprägten neonationalsozialistischen Kurs.

Noch bleibt Baden-Württemberg im Gegensatz zu anderen Bundesländern von Brandstiftungen gegen Flüchtlingsheime verschont. Doch auch hier gibt es Propagandadelikte, Sachbeschädigungen und Körperverletzungen mit fremdenfeindlichem Hintergrund. So hat am 20. Dezember 2014 ein 21-Jähriger, der der rechtsextremen Szene zugerechnet wird, in Rottenburg (Landkreis Tübingen) zwei 27 und 36 Jahre alte Flüchtlinge aus Gambia angepöbelt und geschlagen. Das ältere Opfer stürzte und wurde mehrmals getreten. Die Frau musste mit Kopf- und Knieverletzungen ins Krankenhaus gebracht werden.

Einen Monat zuvor wurden Wegweiser zur neuen Flüchtlingsunterkunft in Meßstetten (Zollernalbkreis) besprüht, im näheren Umfeld wurden Hakenkreuze, Neonazi-Parolen und SS-Runen hinterlassen. Und im Mai vergangenen Jahres wurden auf dem Gelände der Flüchtlingsunterkunft in Rheinstetten bei Karlsruhe mehrere Schüsse abgegeben. Am Zufahrtsbereich der Einrichtung, versteckt in einem Gebüsch, fand sich eine mit Dieselkraftstoff gefüllte Fünf-Liter-Plastikflasche, und in den Tagen zuvor sollen mehrfach Fahrzeuge in der Nacht auf die Zufahrt eingefahren sein, deren Insassen fremdenfeindliche Parolen gegrölt haben sollen.

In Krautheim im Hohenlohekreis warfen Unbekannte einen faustgroßen Stein gegen ein Fenster einer Flüchtlingsunterkunft. Unbekannt blieben auch die Täter, die im südbadischen Wehr (Landkreis Waldshut) Ende 2013 Feuer in einer Flüchtlingsunterkunft gelegt hatten.

Der Zuzug von Flüchtlingen wird von der Mehrheitsbevölkerung als "großes Problem" empfunden. Flüchtlinge werden von 84,7 Prozent der Bundesdeutschen in den neuen und von 73,5 Prozent in den alten Bundesländern abgelehnt oder schlecht beurteilt, so eine im Juni 2014 von der Universität Leipzig veröffentlichte <link https: www.amadeu-antonio-stiftung.de w files pdfs mitte_leipzig_internet.pdf _blank>Studie zu Extremismus. Rechtsextremisten und Rechtspopulisten unterschiedlicher Couleur wollen sich diese Stimmungslage zunutze machen und politisches Kapital aus den Ressentiments vieler Menschen schlagen.

Flüchtlinge werden als Bedrohung für die innere Ordnung und Sicherheit dargestellt, um so Ängste bei der Mehrheitsgesellschaft zu schüren. Unverhohlen wird rassistische Hetze und Ausländerfeindlichkeit propagiert und das Klima gegen Flüchtlinge gezielt angeheizt. Mit Aufmärschen vor und gegen Flüchtlingsunterkünfte hoffen Rechtsextremisten, bundesweite Schlagzeilen zu liefern, diese für sich zu funktionalisieren und sich als wahre Interessenvertreter zu gerieren.

NPD hetzt im "Leitfaden zum Umgang mit Asylanten" 

Seit 2013 vertreibt die NPD einen sogenannten "Leitfaden zum Umgang mit Asylanten in der Nachbarschaft". Presserechtlich verantwortlich für den "Leitfaden" zeichnet der 1959 im Kurort Baden-Baden geborene Michael Andrejewski, seit 2006 NPD-Landtagsabgeordneter in Mecklenburg-Vorpommern. Angeblich bricht eine "regelrechte Asylantenflut" derzeit über "zahlreiche kleine Städte und Ortschaften in Mecklenburg und Pommern" herein, behauptet die NPD. Um den aus Sicht der NPD "von der Politik im Stich gelassenen Deutschen beim Umgang mit den Asylanten wenigstens ein bisschen zu helfen", hat sie dafür den einseitigen "Leitfaden" erstellt.

Bei Lärmbelästigungen durch Flüchtlinge rät die NPD ihren Landsleuten, sich niemals allein bei Vermieter oder Polizei zu beschweren, da "dann ganz schnell die Geheimpolizei vor der Tür" stehen könne. Am "besten gleich mit der ganzen deutschen Nachbarschaft" beschweren, meint die NPD, da dann "das System" mit vielen Leuten nicht so umspringen könne wie mit einem "isolierten Einzelnen".

Vor Kontaktaufnahme mit Flüchtlingen wird in dem "Leitfaden" generell gewarnt, da dann den "Übelwollenden unter den Ausländern" die Möglichkeit offen stehe, "einfach mal zu behaupten, man habe sie rassistisch beleidigt. Vor Gericht wird bei solchen Vorwürfen Ausländern eher geglaubt als Deutschen". Tipp der NPD: "Wenn schon mit Asylanten reden, dann nur mit deutschen Zeugen." Flüchtlinge überhaupt kennenzulernen, so empfiehlt die NPD kurzerhand, "lohnt sich (..) nicht".

Rüstzeug für den nationalen Straßenschläger

Der gebürtige Badener Andrejewski war einst Aktivist der Hamburger Hochschulgruppe der Deutschen Volksunion (DVU), Vize der "Hamburger Liste für Ausländerstopp" (HLA) sowie Vorsitzender des HLA-Ablegers "Aktion Mecklenburg/Vorpommern bleibt unser" (MBU). In der geheim gehaltenen Materialsammlung des Bundesamts für Verfassungsschutz zum Verbot der NPD wird Andrejewski namentlich erwähnt.

Die Verfassungsschützer zitieren ein NPD-Flugblatt aus dem Jahr 2011 anlässlich des 2012 anstehenden 20. Jahrestags der rassistischen Ausschreitungen von Rostock-Lichtenhagen. Darin bezeichnet sich Andrejewski als damaligen "Augenzeugen des Geschehens". Der rechtsextreme NPD-Politiker schreibt: "Wochen vor den Krawallen habe ich in Lichtenhagen und Großklein Flugblätter verteilt, in denen vor den Folgen einer gesteuerten und maßlosen Einwanderung von Ausländern nach Mitteldeutschland gewarnt wurde." Nur durch Zufall kam damals von den Flüchtlingen niemand zu Tode.

Neben dem sogenannten "Leitfaden zum Umgang mit Asylanten in der Nachbarschaft" liefert die NPD auch das Rüstzeug für den nationalen Straßenschläger und Flüchtlingshasser. Im Angebot sind T-Shirts mit dem Aufdruck "Asylbetrüger? Nein Danke!", Plakate mit dem Aufdruck "Asylbetrüger? Nein Danke! Wir sind nicht das Sozialamt der Welt!" und Aufkleber mit der Forderung "Asylantenheim? Nein danke!" 

Das individuelle Recht auf Asyl ist im Grundgesetz nach den Erfahrungen der NS-Diktatur in Artikel 16 verankert. Rechtsextremisten darf es nicht gelingen, eine neue Asyldebatte vom Zaun zu brechen.


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2 Kommentare verfügbar

  • Schwabe
    am 03.04.2015
    Antworten
    Die Menschen selbst (Asylanten/Migranten) halte ich bewußt aus MEINER Diskussion raus, denn die können nichts dafür. An deren Stelle würde ich auch nach Deutschland kommen wenn mir die Gelegenheit dazu gegeben wird.
    Die beiden wichtigsten Fragen sind, warum wollen so viele Menschen, egal ob…
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