Peter Meincke ist ein Mann mit musikalischem Gespür und hintergründigem Humor. Beides ist hilfreich, wenn man seit Jahrzehnten die Korntaler Musikschule leitet und dabei seine ganz eigenen Erfahrungen mit der Evangelischen Brüdergemeinde vor Ort gemacht hat. Vor einem Jahr hat der 61-Jährige die Staufermedaille des Landes Baden-Württemberg erhalten. Stolz ist er auf diese Ehrung seiner musikalischen Arbeit. Ministerpräsident Winfried Kretschmann persönlich hat ihm die Medaille überreicht.
Das Schicksal des Heimkindes Detlev Zander hat dem Musikschulchef nun eine Art Déjà-vu beschert. Er las von den Demütigungen, von den Schlägen und der Respektlosigkeit, unter denen der kleine Detlev im benachbarten Korntaler Hoffmannhaus zu leiden hatte (siehe Kinderhölle Korntal). Er las davon, dass auch andere Heimkinder von ähnlichen Erfahrungen berichten. Er stellte fest, dass die Brüdergemeinde versucht, die Glaubwürdigkeit von Detlev Zander zu untergraben, und erinnerte sich: "Auch mir wurde damals Unzurechnungsfähigkeit unterstellt." Denn Peter Meincke hatte etwas getan, was man im frommen Korntal nicht tut: Er hatte sich mit seiner Frau auseinandergelebt und es gewagt, sich von ihr zu trennen.
Gefürchtet ist die Empörungswucht der frommen Brüder
Plötzlich sah sich der Mann, der bis dahin musikalisch mit den Pietisten zusammengearbeitet hatte, vor einer festen Burg christlicher Missbilligung. Er wurde geschnitten, plötzlich fehlte die Hälfte seines Chores bei der Probe, es waberten Gerüchte durch den Ort, die seine berufliche Integrität als Musikpädagoge und seine Urteilsfähigkeit in Frage stellten. Erst eine Strafanzeige gegen unbekannt wegen Verleumdung stoppte die Kampagne, die ihn persönlich zu beschädigen und beruflich zu vernichten drohte. Man mag Meinckes Geschichte in der Novelle "Der Klavierspieler. Eine ganz und gar unmusikalische Geschichte" wiedererkennen, einem kleinen Büchlein, in dem mit feiner Ironie eine zeitgenössische Hexenjagd erzählt wird, welcher der Autor Manfred Marder ein Zitat von Max Frisch vorangestellt hat: "Die beste und sicherste Tarnung ist immer noch die blanke, nackte Wahrheit. Die glaubt niemand." Peter Meincke kennt die Wucht der Empörung der frommen Brüder und Schwestern, wenn einer in ihren Augen gesündigt hat, ebenso wie die Neigung, über eigene Verfehlungen gerne den Mantel des Schweigens zu hängen.
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ehem.heimkind
am 28.01.2016