Er ist neugierig, er möchte alles ganz genau wissen, er ist ein Selfmade-Forscher. Er hat seine Tiere beobachtet, jeden Tag. Welches Kamel sich wann und warum wo hinlegt. Er hat sie nie als Kuscheltiere empfunden, nie als Touristenattraktion, das war ein Nebenprodukt, das ihm sein Beobachtersein finanzierte. Er hat akribisch Buch geführt über Verhalten und Gewohnheiten seiner Tiere. Studenten aus Stuttgart-Hohenheim und Tübingen schrieben Diplom- und Masterarbeiten auf seinem Hof. Er wollte die Milch der Muttertiere wegen ihrer Heilkraft auf den Pharmamarkt werfen. Und weil ein Professor sagte, das könne er aus hygienischen Gründen vergessen, kaufte er sich eine Gefriertrocknungsanlage, um die chemischen Bestandteile zu extrahieren. Geschafft hat er das nicht mehr. Vorher kam das Feuer.
Wilhelm Breitling bereiste den Oman, er war bei den Tuareg, in Indien, Tunesien, Mali und im Niger, "Erkundungsreisen" nennt es seine Frau, die immer daheim blieb und seine Tiere versorgte. Um von denen zu lernen, die schon seit Jahrtausenden Kamele halten. Man habe ihn in der deutschen Kamel-Community oft nicht ernst genommen, "verlacht", sagt er. "Die, die schon immer solche Tiere gehalten haben, werden doch den Umgang besser verstehen als du aus dem Schwarzwald." Breitling sagt, das, was ihm sein Vater beigebracht habe, Hunderte Jahre Schweinehaltung, sei heute in den meisten Fällen überholt. "Die haben wir früher in einem kleinen Verschlag gehalten", sagt er. "Und heute ist das sogar verboten." Warum also nicht vom Schwarzwald aus für ein besserer Verständnis fürs Kamel sorgen? Er würde gerne ein Buch schreiben, sagt er. Aber seine Aufzeichnungen sind verbrannt. "Ich hab nur noch das, was hier drin ist", sagt er und tippt sich an den Kopf.
Wilhelm Breitling möchte nicht über den Brand reden. Der sei vorbei, und eigentlich sei das bei ihm doch genauso, wie wenn einem normalen mittelständischen Unternehmen das Geschäft zusammenbricht; er sei nichts Besonderes, sagt er und erzählt von einem Freund, der plötzlich Krebs bekam. Das sei schlimmer.
Als sie seinen Hof gelöscht hatten, kam der Bürgermeister der Gemeinde vorbei und wollte Spenden sammeln. Breitling lehnt ab. "Da zahlen die Leute Geld, und ich weiß ja nicht mal, was aus dem Hof wird." Zum Bürgermeister hat er gesagt: "Du hast es mir so schwer gemacht, und jetzt plötzlich kommst du an und möchtest helfen."
Aufbauen möchte Breitling seinen Hof nicht mehr. "Es würde 15 Jahre dauern, mindestens, bis ich meine Forschung wieder auf dem Stand hätte, auf dem ich aufgehört habe." Schon seit Jahren hat er einen Nachfolger für seinen Hof gesucht und keinen gefunden. 1,5 Millionen Euro bräuchte ein Käufer, um den Hof wieder so herzurichten, wie er war. Sein Grundstück würde Breitling sogar verschenken, sagt er. Es mangelt auch nicht an Interessenten. Kürzlich sei jemand dagewesen, der einen Ponyhof aufbauen wollte. Ein anderer habe beinahe gekauft. Und dann all die Hippies: "Nichts gegen lange Haare", sagt Breitling, "aber die können den Hof doch nicht so professionell führen, wie ich es getan hab."
Gott hat für alles einen Grund
Im Wohnzimmer der Breitlings hängt ein großes Holzkreuz. Gott ist ein wichtiger Bestandteil in ihrem Leben. Ihr Mann habe Albträume gehabt, erzählt seine Frau. Vom Feuer. Er sei bis heute nicht drüber weg, und sie befürchtet, dass er das niemals schaffen wird. Das Feuer hat sich in sein Herz gebrannt.
Wenn man Wilhelm Breitling fragt, wie es ihm geht, sagt er "gut", ohne zu zögern, und lacht sein ehrliches, verschmitztes Lachen. Er habe mehr erreicht, als er jemals für möglich hielt. Und das Leben stelle ihm noch viele Aufgaben.
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Sara
am 18.02.2014