Boris Palmer bleibt ein Rätsel. Bei manchen Aussagen des Ex-Grünen schlagen sogar Fans die Hände überm Kopf zusammen. Zugleich ist er in der Tübinger Kommunalpolitik parteiübergreifend als kompetenter Oberbürgermeister geschätzt. Und wer den Querkopf bei der Stuttgart-21-Schlichtung hat argumentieren sehen, würde höchstwahrscheinlich zustimmen, dass man von Palmer zwar halten kann, was man will – aber dass er sich zumindest nicht für dumm verkaufen lässt. Seit vergangenem Freitag muss hinter diese Annahme allerdings ein großes Fragezeichen gesetzt werden.
Palmer saß auf einem Podium mit dem Rechtsextremisten Markus Frohnmaier, Spitzenkandidat der AfD bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg. Es war ein Experiment, das im Fiasko endete (mehr hier). Palmer allerdings sah darin einen Erfolg. Seine "Strategie, Frohnmaier zu zwingen, sich zwischen seinem bürgerlichen Auftritt und rechtsextremen Inhalten zu entscheiden", sei nämlich an mehreren Punkten aufgegangen, verkündet er in den sozialen Medien. Und nun meint Palmer klarstellen zu können: "Die Bedrohung von Millionen Menschen mit ausländischen Wurzeln durch 'Remigration' hat [Frohnmaier] komplett vom Tisch genommen. Es gehe ausschließlich um Menschen, die nur eine Duldung in Deutschland hätten. In Tübingen sind das 200 von 16.000 Ausländern", postet Palmer auf Facebook und glaubt, an dieser Aussage "kann man die AfD messen". Frohnmaier habe sogar den Begriff "Remigration" kritisiert, was Palmer zufolge "vielleicht enttäuschend für diejenigen" sei, "die weiter die AfD als Nazis bezeichnen wollen".
Gegen Ende des sehr langen Postings erwähnt Palmer zumindest die Möglichkeit, dass das Abrücken von rechtsextremen Inhalten vielleicht aus taktischen Gründen erfolgt – und wirft die Frage auf: Wenn sich Remigration nur auf Geduldete beziehe, "wieso hat dann ein Landtagsabgeordneter der AfD, der im Saal war, meinen Freund und Bürgermeister Ryyan Alshebl aufgefordert, nach Syrien zurückzukehren, weil dort keine Gefahr mehr bestehe?" Ja, warum bloß? Wenn Palmer weiter ermittelt, kommt er vielleicht noch zum Schluss, dass die AfD ganz schön oft lügt.
Mensch-Wildtier-Konflikte
Zwar nicht ganz ein Wolf im Schafspelz, aber zumindest lange nicht so niedlich, wie er aussieht, ist der Waschbär – ein invasiver Allesfresser. In Stuttgart kommt es vermehrt zu sogenannten Mensch-Wildtier-Konflikten, teilt die Pressestelle der Stadt gegenüber Kontext mit. "In diesem Jahr gab es schon mehr als 60 Beratungsgespräche zu Waschbären seitens des Wildtierbeauftragten", heißt es seitens der Verwaltung. Und dann, teilt die Stadt mit, ist da noch "der aktuelle Fall aus der XY-Straße (Name von der Redaktion geändert), bei dem vermutlich ein Waschbär einer Frau einen Teil eines Mittelfingers abgebissen hat." Darüber hatte Kontext vergangene Woche exklusiv berichtet.
Passend zum Thema bietet die FDP-Landtagsfraktion am 11. September eine Onlineveranstaltung dazu an. Zu Gast ist unter anderem ein Biologe mit dem klangvollen Namen Dr. Dorian D. Dörge. "Wie konnte es zum Vormarsch des Waschbären im Land kommen?", fragen die Liberalen in der Ankündigung etwas reißerisch: "Ist der Waschbär auf dem Siegeszug?"
Wenn einer den Waschbären noch stoppen kann, dann höchstens Boris Palmer auf einem Podium. Von dort aus schafft er es bestimmt, den allesfressenden Raubtieren ins Gewissen zu reden, sie mit Fakten bloßzustellen und ihnen Aussagen zu entlocken, an denen sie sich messen lassen müssen. Alles eine Frage von "mit den Leuten schwätzen".
Godt gjort Norge!
Da lohnt sich doch ein Blick nach Norwegen. Am Montag haben die Norweger:innen ihr Parlament gewählt – und ja, auch dort legen die Rechtsextremen zu. Aber: Stärkste Kraft wurde die Partei des bisherigen Ministerpräsidenten Jonas Gahr Støre. 28,2 Prozent bekam die sozialdemokratische Arbeiterpartei. Zwei Tage vor der Wahl sagte der auch hierzulande bekannte Autor Erik Fosnes Hansen im "Deutschlandfunk": "Wenn es eine Krise gibt im Land, dann suchen die Wähler die Sozialdemokraten." Das sei traditionell so. Was für ein tolles Vorbild. Ob die wohl auch einen Palmer haben?
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