Viele trauten wohl ihren Augen und Ohren nicht, als sich am Dienstagmorgen die Nachricht verbreitete: Julian Assange ist frei! Hoffentlich jedenfalls, denn als diese Zeilen geschrieben werden, ist er noch auf dem Weg auf die zu den USA gehörenden Marianeninsel Saipan im Pazifik, und wir hoffen, dass das Ganze keine Falle ist. Wir gehen aber mal davon aus, dass die USA sich an den Deal halten, den 52-Jährigen in Ruhe und gleich nach Hause nach Australien weiterreisen lassen, wenn er auf der Insel ein Schuldeingeständnis gemacht hat.
Die Freude über die gute Nachricht ist jedenfalls groß. Zwölf Jahre war der Whistleblower und Journalist eingeschlossen. Erst sieben Jahre im "Asyl" in der ecuadorianischen Botschaft in London, seit 2019 im Hochsicherheitsgefängnis im britischen Belmarsh. Dort kämpfte er dagegen, an die USA ausgeliefert zu werden, wo ihm absurde 175 Jahre Haft drohten wegen Geheimnisverrats und Spionage. Denn die USA befanden einfach mal, dass die Enthüllung von amerikanischen Kriegsverbrechen im Irak und in Afghanistan kein Journalismus ist.
Rund um die Welt hatten sich in den vergangenen Jahren Solidaritätsgruppen gebildet, es wurden Mahnwachen für die Freilassung Assanges abgehalten, Konzerte veranstaltet, Petitionen eingereicht. Doch die Hoffnung angesichts eines so mächtigen Gegners wie den USA war gering.
2020 hatten die AnStifter ihren jährlichen Friedenspreis an Julian Assange verliehen. Dass er nun freikommt, hat den AnStifter-Gründer und Kontext-Wetterer Peter Grohmann überrascht. "Ich dachte nicht, dass es wahr wird", sagt er. Nun werden die AnStifter Assange nach Stuttgart und zu einer Rundreise einladen, teilt Grohmann mit. Am wichtigsten jedoch: "Wir hoffen, dass er bald gesund wird."
Seine Gesundheit dürfte ein Grund sein, dass Assange sich auf den dreckigen Deal mit den US-Behörden eingelassen hat. Denn dreckig ist es, einen Menschen so zu schinden, dass er diesen Ausweg nehmen muss. Laut Medienberichten muss sich Assange der Spionage schuldig bekennen, dafür bekäme er fünf Jahre Haft, wobei ihm die Gefängnisjahre in Großbritannien angerechnet würden, er also gleich nach Hause kann. Für Assange natürlich der einzig gangbare Weg. Für die Pressefreiheit kein gutes Zeichen. Denn so hängt weiterhin über allen Journalist:innen, die auch Kriegsverbrechen von Staaten öffentlich machen, das Damoklesschwert der Spionage.
Darauf, dass die Pressefreiheit weltweit immer mehr bedroht ist, hat unlängst die NGO Reporter ohne Grenzen hingewiesen. Nicht nur Regierungen schränken diese Freiheit ein, auch Parteien, Privatpersonen, Organisationen, die es nicht ertragen, kritisiert zu werden. Kontext kennt das. Slapp nennt sich das (Strategic Lawsuits against Public Participation), strategische und missbräuchliche Klagen gegen oft kleine Medien, in der Erwartung, dass die nicht durchhalten oder pleitegehen und damit ein abschreckendes Beispiel für andere Journalist:innen sind. Große Anwaltskanzleien haben sich auf so etwas spezialisiert. Das erfuhr jüngst auch das "nd" (einstmals "Neues Deutschland"). Die Tageszeitung hatte über unhaltbare Zustände in einem vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) betriebenen Ankunftszentrum für Geflüchtete berichtet. Folge: Das DRK klagte. Vor Gericht gewann das "nd" in den meisten Klagepunkten.
Gut so, denn das ist die Aufgabe von Journalist:innen: Sauereien aufzudecken. Damit das "nd" das auch weiterhin machen kann, braucht es allerdings dringend Unterstützung. Die sozialistische Tageszeitung ist seit gut zwei Jahren Genossenschaft, und es geht ihr nicht gut. Wie andere linke Zeitungen und Zeitschriften kämpft sie ums Überleben. Doch ohne das "nd" wäre die Pressewelt deutlich ärmer. Darum weisen wir gerne auf die Rettungskampagne hin: 3.000 Digital-Abos sind das Ziel. Da dürften sich doch auch ein paar Unterstützer:innen aus Baden-Württemberg finden.
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KI-gerhard manthey
am 26.06.2024