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Supergau und Sitzungsnöte

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Endlich hatte man sich, mit viel Tamtam und Milliarden-Entschädigungszahlungen an Energieunternehmen, von der Atomkraft gelöst und den Ausstieg beschlossen, vom letzten Atemzug der verbliebenen AKWs in Deutschland trennten uns nur noch wenige Monate – und jetzt? Jetzt wollen ausgerechnet die Grünen, die Anti-Atom-Partei schlechthin, zwei davon zu Ersatzkraftwerken gegen einen dräuenden Blackout machen. Nahezu traurig ist das. Zumal es um die Sicherheit von Isar 2 in Bayern erst im Frühjahr einige Aufregung gab, als Gerrit Niehaus, der ehemalige oberste Atomaufseher von Baden-Württemberg (heute oberster Atomaufseher von Deutschland im Bundesumweltamt), einem Isar-2-TÜV-Bericht bescheinigte, er würde "den Grundsätzen der deutschen Aufsichtspraxis widersprechen". Über das durchaus gute Verhältnis des TÜV Süd zur AKW-Lobby haben wir in Ausgabe 275 berichtet.

Das zweite Notkraftwerk soll Neckarwestheim II werden, liebevoll "Reaktor Rostiges Rohr" genannt, weil Umweltschutzorganisationen und Kernkraftgegner:innen befürchten, die Korrosion an über 350 Rohren in den Dampferzeugern könnte uns demnächst um die Ohren fliegen (Kontext berichtete). Der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat keine Bedenken, Baden-Württembergs grüne Umweltministerin Thekla Walker will immerhin noch "sicherheitstechnische Aspekte klären". Der BUND Baden-Württemberg dagegen ist schon dabei, eine Klage zu prüfen. Neckarwestheim "als Notreserve vorzuhalten und möglicherweise durch An- und Abschaltungen einer hohen Belastung auszusetzen, ist unverantwortlich und muss gestoppt werden", teilt die Landesvorsitzende Sylvia Pilarsky-Grosch mit.

Wie auch immer: Blackout oder Gau, beides Apokalypsen, beides blöd. Oder? Thomas Meier würde dem wohl nicht so pauschal zustimmen. Der Apokalypse-Experte von der Uni Heidelberg sieht nicht alle Weltuntergänge als ganz so düster an und plädiert für eine gewisse Offenheit, was nahende Enden anbelangt. "Unsere Spezies hält einiges aus und selbst in den düsteren Szenarien wird es wohl eine Handvoll Überlebende geben", sagt er im Interview. Das ist beruhigend.

Um das jeweils individuelle Ende, eine Suizid-Agentur, die Drehbücher für den Suizid zahlender Kund:innen schreibt, geht es im Roman "Paradise" von Sabah Sanhouri. Im Gespräch mit Kontext erzählt die junge sudanesische Schriftstellerin von fundamentalistischen Männern, die ihre Lesungen und Workshops störten, von Selbstmord-Attentätern, nach denen in Karthum Straßen benannt sind, und der Rolle der Frauen im sudanesischen System.

Dem Ende, sagt man ja so schön, wohnt immer ein Anfang inne. Ein Anfang könnte zumindest sein, die Schuldenbremse ad acta zu legen, wie es die Vorsitzende der baden-württembergischen Grünen fordert. Oder bei der CDU eine Frauenquote einzuführen. Weil der Bundesvorstand quotenmäßig bereits einen Antrag auf Einführung für den Parteitag am Wochenende vorbereitet hat, feuern Quotengegner:innen schon wieder aus den Schützengräben. Da sitzt beispielsweise die Junge Union drin. Die keinesfalls eine Quote unterstützt. Viel lieber, schreibt die CDU-Jugend in einer Pressemeldung, hätten sie gerne "feste Anfangs- und Endzeiten bei Sitzungen".


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8 Kommentare verfügbar

  • Jue.So Jürgen Sojka
    am 09.09.2022
    Antworten
    „Dem Ende, sagt man ja so schön, wohnt immer ein Anfang inne.“
    Der Anfang hier in Szene gesetzt • Atom-Streit in Wackersdorf | Die Geschichte einer Eskalation https://up.picr.de/34958012pa.pdf Seiten 2 + 3

    Und in meinem Kommentar in KONTEXT Ausgabe 500 Anti-AKW-Bewegung
    Als der Protest über…
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