KONTEXT:Wochenzeitung
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Ohhh!

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Das Staunen ist, da waren sich Platon und Aristoteles einig, der Ausgangspunkt aller Philosophie. Denn fundamentale Verwunderung liefert Anreize, nach Ursachen Ausschau zu halten und bisherige Erklärungsmodelle auf den Prüfstand zu stellen. Wenn man unseren turbulenten Zeiten also etwas Positives abgewinnen möchte, dann vielleicht, dass sie nicht nur eine hohe Krisen-, sondern auch eine überaus beachtliche Kuriositätendichte vorzuweisen haben. Für heruntergeklappte Kinnladen sorgten beispielsweise die ausgeflippten Dance Moves der finnischen Ministerpräsidentin Sanna Marin, die trotz Regierungsverantwortung ein – und jetzt halten Sie sich fest! – Privatleben zu führen scheint. Ihr Drogentest war trotzdem negativ. Schade eigentlich.

Marins Tiktok-würdige Tanzperformance hat die Netzgemeinde veranlasst, nachzuforschen, welche Staatschefs sonst noch so die Hüften kreisen lassen. Unangefochten auf Platz 1 dürfte dabei Ukraine-Präsident Wolodymyr Selenskyj landen, der 2006 sogar bei dem Fernsehformat "Let's Dance" gewonnen hat. Aber auch die Einlagen von Justin Trudeau, dem kanadischen Premierminister, können sich sehen lassen.

Ebenfalls für Staunen, wenn auch weniger begeistertes denn entrüstetes, sorgte vergangene Woche gleich mehrfach der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz. Einmal dank spektakulärer Erinnerungslücken im Cum-Ex-Untersuchungsausschuss, der in Hamburg zur Aufklärung des größten Steuerraubs in der Geschichte der Republik beitragen soll. Und dann weil Mahmud Abbas, Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde, im Beisein des Kanzlers behaupten darf, Israel sei für "50 Holocausts" verantwortlich und die beiden sich mit Händedruck verabschieden. Immerhin zog Scholz mit Kritik nach, und ein Regierungssprecher war um Relativierung bemüht: "Viel grimmiger als bei dem Handschlag ist er gar nicht fähig zu gucken."

Viel grimmiger als bei den aktuellen Strom- und Gaspreisen können auch große Teile der Bevölkerung gar nicht gucken. Umso mehr sorgt die Energiepolitik der Bundesregierung für Stirnrunzeln: Nachdem viele große Konzerne wie RWE sich trotz Krise über spektakuläre Gewinne freuen können, wird nun die Mehrwertsteuer auf Gas reduziert – wobei Kanzler Scholz von den "Unternehmen erwartet, diese Entlastung eins zu eins an die Kunden weiterzugeben". Und schon wieder steht der Mund offen: Ist so viel Naivität authentisch oder gespielt?

Nicht wirklich verwundert, aber doch irritiert sind wir in der Redaktion auch über die neuerdings offengelegten S-21-Akten, die belegen, wie die Öffentlichkeit nach Strich und Faden belogen wurde. Wobei zu den Irritationen beiträgt, dass die Enthüllungen kaum jemanden hinter dem Ofen hervorlocken, weil es anscheinend ohnehin der Erwartungshaltung entspricht, von der Politik getäuscht zu werden. Ein "Wut-Winter" steht vor der Tür, schreibt unsere Kolumnistin Elena Wolf. Und folgert: "Wenn Progressive jetzt nicht gemeinsam den Arsch hochbekommen, dominieren wieder 'Querdenker' die Straßen."

Angesichts der gegenwärtigen Vielfachkrise müsste es sich allmählich herumsprechen, dass es so wie bisher nicht weitergehen kann. Daher noch ein kleiner Ausflug in die westliche Geistesgeschichte: In seiner Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie schrieb ein gewisser Karl Marx, man "muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt!" Je mehr Staatschefs dabei die Hosen flattern lassen, desto besser.

Kanadas Premiereminister Justin Trudeau performt den Bhangra, einen indischen Volkstanz.


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1 Kommentar verfügbar

  • Jue.So Jürgen Sojka
    am 30.08.2022
    Antworten
    Es erstaunt, dass in der KONTEXT-Redaktion von niemandem die aktuelle Situation im ÖRR aufgenommen wurde – ist doch KONTEXT selbst von windigen Gepfolgenheiten im ÖRR betroffene.

    Angesichts der gegenwärtigen Aufregung um die rbb-Führung
    A.) Intendantin Schlesinger, gibt ARD Vorsitz auf,…
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