KONTEXT:Wochenzeitung
KONTEXT:Wochenzeitung

Schwierig, das mit der Freiheit

Schwierig, das mit der Freiheit
|

Datum:

Unser aller Freiheit wird ja gerade verteidigt. Nein, nicht am Hindukusch, sondern im Donbass. Und nein, man muss den russischen Angriff auf die Ukraine, die dort begangenen Kriegsverbrechen, keinen Deut relativieren, um die rhetorischen Keulen, die geschwungen werden, manchmal etwas groß zu finden. Und es ist auch keine Gleichsetzung, kein Whataboutismus, auch einmal über die Freiheit, oder zumindest Teile davon, in der sogenannten westlichen Welt nachzudenken.

Der Fall Julian Assange ist da so ein Beispiel. Die Enthüllungsplattform Wikileaks, die der gebürtige Australier 2006 gegründet hat, ist eigentlich ein Geschenk, eine Fundgrube für JournalistInnen. Denn "Wikileaks ermöglicht Journalisten, mit echten Quellen aus erster Hand zu arbeiten", so der Whistleblower Edward Snowden, "das gab es vorher nicht". Wikileaks machte unter anderem mehrere hunderttausend Dokumente aus dem Irak-Krieg zugänglich, darunter auch solche, die Kriegsverbrechen der US-Armee zeigten.

Und deswegen, in Kurzform, versteckte sich Assange erst jahrelang vor der US-Strafverfolgung, saß dann jahrelang in einem berüchtigten britischen Gefängnis in Auslieferungshaft und steht jetzt kurz davor, in die USA ausgeliefert zu werden, wo ihm bis zu 175 Jahre Haft drohen. Eine Auslieferung würde, so Beate Streicher von Amnesty International, nicht nur eine große Gefahr für Assange darstellen, sondern auch "für die Pressefreiheit im Allgemeinen". Das ist nicht zu hoch gegriffen, denn bei dem, was Assange vorgeworfen wird, "handelt es sich um Praktiken, die für InvestigativjournalistInnen ein alltäglicher Teil des Berufs sind", so Streicher.

Nur folgerichtig also, dass der Tag der Pressefreiheit, der 3. Mai, in Stuttgart dieses Jahr auch für eine Kundgebung unter dem Motto "Freiheit für Julian Assange" genutzt wurde. Stefan Drößler vom Bezirk Stuttgart-Nordwürttemberg von Amnesty International hat dort eine interessante Rede gehalten, in der er nicht nur die Chronologie des Falles Assange nachgezeichnet, sondern auch auf die Bedeutung für den Journalismus und die Freiheit desselben hingewiesen hat. Wir haben sie hier dokumentiert.

Sehr verkürzt bedeutet Pressefreiheit, alles schreiben zu dürfen, ohne dafür strafrechtliche Verfolgung fürchten zu müssen – offenkundige Hetze, Verleumdungen und Falschbehauptungen ausgeschlossen. Hier wird’s schon schwierig, nicht nur, weil die genannten Sachverhalte immer interpretationsabhängig sind. Sondern auch, weil dies in Zeiten kriselnder Verlagshäuser, die immer weniger über die klassischen Einnahmewege wie Anzeigen oder Abos verdienen und dies mit Online-Reichweite wettmachen wollen, zu bedenklichen Auswüchsen führen kann. Journalismus sei oft nur noch klickgetrieben, sagt der Konstanzer Journalist Michael Lünstroth, und gut geklickt werden eben oft Inhalte, die skandalisieren, die in gesellschaftlichen Debatten Polarisierung noch befeuern. Auch aus diesem Grund hat er mit einigen MitstreiterInnen das neue Lokalmedium "Karla" initiiert, das im Sommer an den Start gehen soll. Das freut auch uns bei Kontext, denn damit wird die Familie der nicht gewinnorientierten, unabhängigen, gemeinnützigen Medienportale wieder ein bisschen größer.

Geht doch: Endlich Betriebsrat!

Mit dem Recht, also im juristischen Sinne, ist es so eine Sache. Das Recht auf Gründung eines Betriebsrates kann Gesetz sein, wie es will – immer wieder versuchen Firmen, dies zu verhindern. So war es auch bei ST Stanztechnik in Unterensingen im Kreis Esslingen. Neun Monate lang behinderten die Eigentümer und Chefs, die Gebrüder Günther und Volker Mayer – der eine über 70, der andere über 80 Jahre alt – alle Versuche, einen Betriebsrat zu gründen. Kontext hatte darüber berichtet. Termine wurden verschleppt, Einladungen nicht ausgehängt, sogar gekündigt wurde einem Engagierten. Doch die 170 Beschäftigten ließen sich nicht einschüchtern, gemeinsam mit der IG Metall Esslingen haben sie es nun geschafft: Sie haben ihren Betriebsrat gewählt, Wahlbeteiligung: 80 Prozent. Glückwunsch!


Gefällt Ihnen dieser Artikel?
Unterstützen Sie KONTEXT!
KONTEXT unterstützen!

Verbreiten Sie unseren Artikel
Artikel drucken


4 Kommentare verfügbar

  • Nik
    am 04.05.2022
    Antworten
    Guter Text, danke.
Kommentare anzeigen  

Neuen Kommentar schreiben

KONTEXT per E-Mail

Durch diese Anmeldung erhalten Sie regelmäßig immer Mittwoch morgens unsere neueste Ausgabe unkompliziert per E-Mail.

Letzte Kommentare:






Die KONTEXT:Wochenzeitung lebt vor allem von den kleinen und großen Spenden ihrer Leserinnen und Leser.
Unterstützen Sie KONTEXT jetzt!