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Verfolgt die Gauner, nicht die Journalisten!

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Um mindestens 55 Milliarden Euro ist das Gemeinwohl betrogen worden. Die Cum-Ex-Geschäfte, den größten Steuerraub in der europäischen Geschichte, haben investigative Recherchen aufgedeckt. Einer, der an den Enthüllungen beteiligt war, ist Oliver Schröm, Chefredakteur des gemeinnützigen Recherchezentrums "Correctiv". Nun ermittelt die Hamburger Staatsanwaltschaft gegen den Journalisten, wegen des Verdachts der "Anstiftung zum Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen". Die Anzeige hat die Schweizer Bank Sarasin gestellt, die selbst tief in den Cum-Ex-Skandal verstrickt ist.

"Nicht gegen Oliver Schröm sollte ermittelt werden", kommentiert der grüne Finanzexperte Gerhard Schick den Vorgang, "sondern gegen die betrügerischen Finanzprofis, deren Handeln seine Recherche aufgedeckt hat." Als völlig inakzeptabel bezeichnet die Ermittlungen auch Frank Überall, der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes: "Investigative Journalisten und ihre Informanten sollen zum Schweigen gebracht werden." Die Staatsanwaltschaft Hamburg dürfe sich nicht "zum Handlanger einer interessengeleiteten Schweizer Justiz" machen. Denn die Züricher Ermittlungsbehörden zeigen sich bereits seit 2014 erpicht darauf, mit aller Härte gegen diejenigen vorzugehen, die den Skandal um den Steuerraub aufgedeckt haben.

Bezeichnend ist der Fall eines schwerbehinderten Whistleblowers, der ein halbes Jahr lang unter widrigsten Bedingungen in einer Sechs-Mann-Zelle in Untersuchungshaft saß und in dieser Zeit seinen Job verlor. Er wurde verdächtigt, ein Informant von Schröm zu sein, gegen den die Züricher Staatsanwaltschaft ebenfalls von 2014 an ermittelte. Der angebliche Verdacht: Verletzung des Geschäftsgeheimnisses; später lautete der Vorwurf – mit Rückendeckung aus der Politik – Wirtschaftsspionage. Das Verfahren haben die Schweizer inzwischen an ihre deutschen Kollegen übergeben. Die berufen sich auf Paragraf 17 des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb. "Es ist das erste Mal, dass dieser Paragraf auf einen Journalisten angewendet wird", berichtet "Correctiv".

Ein Grundsatz des Rechtsstaats ist die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz. Ein weiterer die Freiheit der Presse. Wenn diejenigen, die kriminelle Machenschaften mächtiger Konzerne ans Licht bringen, wegen Aufklärungsarbeit mit Strafverfolgung rechnen müssen, stellt das eine gefährliche Entwicklung der Demokratie dar.

Die "Correctiv"-Redaktion will die Ermittlungen nicht einfach so hinnehmen. "Wir erwarten, dass die Strafverfolgungsbehörden die Täter verfolgen", heißt es in einem offenen Brief, der sich an Justizministerin Katarina Barley und Finanzminister Olaf Scholz (beide SPD) richtet. "Steuerraub ist ein Verbrechen. Journalismus nicht." Den "Correctiv"-Appell, die Staatskassen vor Ausplünderung zu schützen und gegen tatsächliche Täter vorzugehen, können Sie <link https: correctiv.org top-stories journalismus-ist-kein-verbrechen _blank external-link-new-window>hier unterzeichnen.


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5 Kommentare verfügbar

  • Andromeda Müller
    am 16.12.2018
    Antworten
    "correctiv" ist dubios. Es wird als Speerspitze von investigativem Journalismus installiert ,
    um mit dieser falschen Masche kritische Leute zunächst hinter sich zu versammeln , zu indoktrinieren und über längere Zeit in den Mainstream zu überführen.
    Nach dem Beispiel des Spiegel und der taz , die…
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