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Cash in the Täsch

Cash in the Täsch
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Tja, was wird uns bleiben, vom Heroen Grube? Außer 67 Kontext-Geschichten. Vielleicht dieser sprachstilistisch herausfordernde Aphorismus: "Cash in the Täsch is the Name of the Game". Zumal der womöglich auch eine Erklärung dafür liefert, warum der Bahnchef zurückgetreten ist. Es soll ja keine Lohnerhöhung gegeben haben.

Besagter Satz fiel bei einem Pressetermin Anfang Januar 2011. Es ging da um einen heimtückischen Wintereinbruch, mit dem, wie üblich zu dieser Jahreszeit, keiner rechnen konnte. Weichen froren ein, Züge kamen zu spät oder fielen ganz aus, verärgerte Fahrgäste forderten Entschädigung, unschöne Dinge.

Die Kritik fiel entsprechend harsch aus und traf nicht nur die Bahn, sondern auch den Bund. Statt als Eigentümer auf einer jährlichen Gewinnabführung von 500 Millionen Euro zu beharren, forderte damals die SPD, solle man das Geld der Bahn lieber lassen, "um in besseres Material zu investieren". Darauf angesprochen, sagte Grube seinen berühmten Satz und fügte hinzu: "Das Geld hätte ich ganz gern, um's ins Geschäft zu stecken." Geschäft, sagte er, nicht Material, der Fuchs.

Wobei, Cash in the Täsch, das war schon immer Bahnmotto seit der Teilprivatisierung. Und damit ist nicht nur die etwas zwanghafte Börsengang-Fixierung von Grubes Vorgänger Mehdorn gemeint. Manche mögen sich dunkel erinnern: Wegen zu hohen Cash-Bedarfs legte 1999 der damalige Bahnchef Ludewig Stuttgart 21 auf Eis. Worauf wir einen kleinen Exkurs zu Helmut Dietls großartiger Fernsehserie "Kir Royal" führen wollen: In deren erster Folge bemüht sich der großspurige Kölner Großindustrielle Haffenloher, gespielt von Mario Adorf, mit allen Mitteln, die Gunst des Münchner Klatschreporters Baby Schimmerlos (Franz Xaver Kroetz) zu erlangen. "Ich scheiß disch sowas von zu mit meinem Geld", droht er dem unwilligen Schreiberling, "ich schick' dir jeden Tach Cash im Koffer".

Vielleicht sahen ja kurz nach der Jahrtausendwende der damalige Stuttgarter OB Wolfgang Schuster, Ministerpräsident Erwin Teufel oder der junge Staatssekretär Stefan Mappus eine Wiederholung der Folge. Jedenfalls füllten sich 2001 auf wundersame Weise die Taschen der Bahn mit Cash. Die Stadt kaufte ihr Grundstücke für fast eine halbe Milliarde Euro ab, die sie noch Jahrzehnte nicht nutzen kann, das Land vergab für mehrere Jahre einen Millionenauftrag für Zugkilometer, die damals komplett unnötig waren, an den Konzern. Und plötzlich waren die Weichen der Bahn Richtung Stuttgart 21 wieder enteist.

Doch zurück zu Grube. Als der 2009 im Berliner Bahntower antrat, weckte er für kurze Zeit gar Hoffnungen bei den S-21-Gegnern. Weil er, so schien es, das Jahrhundertprojekt offenbar nicht um jeden Preis durchziehen und stattdessen genauer aufs verfügbare Cash gucken wollte, das trotz der erstaunlichen Vermehrung 2001 wieder knapp zu werden drohte. Die "Sollbruchstelle" liege für ihn "bei 4,5 Milliarden Euro", sagte er und ließ neu rechnen, kam auf 4,9 Milliarden, ließ erneut rechnen und präsentierte am 10. Dezember 2009 sparsame 4,1 Milliarden – dank diverser Einschränkungen, etwa bei dünneren Tunnelwänden.

In der Folge schien er das Projekt mit der gleichen Unbedingtheit vorantreiben zu wollen wie sein Vorgänger Mehdorn, was ihn für viele aus der Protestbewegung zu einem der zentralen Feindbilder machte. Auf ihren Bildnissen machte er jedenfalls keine vorteilhafte Figur, wie unsere Schaubühne zeigt. Erst im vergangenen Jahr kehrte Grube zu seiner skeptischen Haltung vom Amtsantritt zurück, die von Kontext sofort gewürdigt wurde. Nachdem er sich als Nicht-Erfinder des unterirdischen Bahnhofs geoutet hatte, haben wir ihn zum <link http: www.kontextwochenzeitung.de editorial wutbuerger-grube-4024.html internal-link-new-window>"Wutbürger Grube" ernannt und ihm sogleich ein Soli-Formular für Kontext ans hanseatische Herz gelegt.

So gesehen werden wir ihn vermissen. Aber wer weiß, vielleicht war das zu viel für den Aufsichtsrat der Bahn, der nun die Zweckentfremdung einer möglichen Gehaltserhöhung fürchtete. Ob wir's je erfahren? Vielleicht kriegen wir's ja raus, wenn wir ein bisschen mehr Cash in the Täsch für nachhaltige Recherchen haben. <link http: www.kontextwochenzeitung.de extra die-kontextwochenzeitung unterstuetzen-sie-kontext-jetzt soli-formular.html internal-link-new-window>Hier geht's zum Soli-Formular.


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1 Kommentar verfügbar

  • Schwabe
    am 01.02.2017
    Antworten
    Zu einem sehrt ernsten Thema ein Artikel mit Esprit, der mir das ein oder andere Schmunzeln entlockt - danke dafür Kontext.
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