Ein guter Witz, der Polt motivierte, das Programm zu verschärfen. Er forderte, die Zensur abzuschaffen und stattdessen Redakteure einzustellen, welche die Schere bereits im Kopf hätten. Das Publikum in Marl war damals aus dem Häuschen und der Fernsehdirektor machte ein langes Gesicht.
Wenige Monate später wurde in einer ZDF-Live-Sendung im Mainzer Unterhaus der Deutsche Kleinkunstpreis in der Sparte "Kabarett" an Gerhard Polt verliehen. Polt betrat die Bühne, setzte sich an seinen Tisch, stellte eine Sanduhr auf und ließ die Zeit verrinnen. "Aus mir ist nix herauszubringen. I bin doch net bleed, I hob doch koane Rechtsabteilung." Nach sieben spannenden Minuten mit gelegentlichen Hinweisen auf die Sanduhr und die Sendezeit, begann er ein Gespräch mit einem imaginären Deutschen Schäferhund zu seinen Füßen. "Das ist ein scharfen Vollschäfer!"
Satire ab in den Kleinkunstkeller
Im folgenden Jahr hatte das "Zweite Deutsche Fernsehen" keine Lust mehr, für diese Art von politischer Kultur Öffentlichkeit herzustellen, denn für den Intendanten Stolte war das satirefreie Programm eine Herzensangelegenheit. Er hatte bereits 1979 Dieter Hildebrandts "Notizen aus der Provinz" nach 66 Folgen aus der Anstalt verbannt, und ich selbst hatte 1993 die Ehre, auf seine Anordnung hin nach 23 Auftritten aus dem "ZDF-Morgenmagazin" geworfen zu werden.
Sein Credo galt im ZDF jahrelang als strenges Gebot: Das politische Kabarett gehört nicht ins Fernsehen, sondern in den Kleinkunstkeller, vor Fachpublikum. Satire ist nichts für die Millionen vor den Bildschirmen. Ironie führt dort nur zu Missverständnissen.
Ich habe es nicht glauben wollen, als ich 2006 von einem befreundeten ZDF-Redakteur erfuhr, das ZDF plane ein Satireformat und man diskutiere, in welches Ressort das besser passe: Unterhaltung oder Politik. Kabarett und Politik? "Neues aus der Anstalt" – der Titel stammt von Georg Schramm – wurde dann doch in die Unterhaltung eingewiesen.
Auch wenn sich viele Kollegen das heimlich wünschen: Satire im TV ist ohne enge redaktionelle Betreuung nicht zu haben. Der Redakteur ist verantwortlich und steht selbst unter Beobachtung. Vertrauen und Fingerspitzengefühl sind hier ganz entscheidend, sonst leidet zuerst die Kreativität und dann die Präsenz. Ich kenne keinen politischen Kabarettisten, der nicht einen Live-Auftritt in einem gut besuchten Theater, einem Fernsehauftritt im Studio vorzieht. Live ist besser. Andererseits ist klar, dass ein Bühnenkünstler, der durch die Lande touren will, ohne Luftunterstützung durch den Rundfunk normalerweise nicht allzu weit kommt. Also nimmt man, wenn sich die Gelegenheit bietet, etwas Fernsehpräsenz gerne als flächendeckende Werbemöglichkeit mit. Die große Kabarett-Fernsehkarriere ist natürlich ein Glücksfall, der allerdings nicht unbedingt glücklich macht. Es gibt Kollegen, die könnten mehr dazu sagen, aber Schweigen gehört halt zum Geschäft und da hat das Fernsehen nicht nur seinen Intendanten und Intendantinnen eine Menge zu bieten.
Bei Welkes Unterhaltungsmüsli stimmt die Mischung
Warum ist Oliver Welke in der "heute-show" immer so unerträglich gut gelaunt? Weil er weiß, dass bei seinem Unterhaltungsmüsli die Mischung stimmt. Bis zu fünf Millionen Zuschauer bringen einen Marktanteil von über 20 Prozent. Die "heute-show" rangiert deutlich vor dem "heute journal" und liegt damit in einem Trend, der in den USA bereits deutlicher zu erkennen ist: Immer mehr Menschen bevorzugen den unterhaltsamen Kontakt mit der Wirklichkeit. Dunkle Wolken am Horizont? Davon geht die Welt nicht unter! Die Realität wird humoristisch aufbereitet. Betreutes Lachen ist erste Hilfe.
3 Kommentare verfügbar
gerhard manthey
am 13.07.2023Einflußnahme eine frühere Pressesprecherin von Frau Dr. Merkel zur Intendantin gemacht werden lässt-ich weiß nicht, wie man:frau das korrekt ausdrücken soll?