Herr Petras, der Hausmeister musste uns den Weg aufs Theaterdach zeigen. Haben Sie sich noch nie hierher verirrt?
Nein, aber es ist schön hier oben. Wir müssen uns überlegen, ob wir hier auf dem Dach des Theaters nicht etwas veranstalten, das ist ein wunderbarer Ort. Man sieht den Bahnhof, sogar mit Uhr, die Idylle unten am Eckensee.
Ist Ihnen die Stadt, über die Sie hier vom Theaterdach den Blick schweifen lassen, inzwischen näher gekommen?
Auf jeden Fall. Ich bin jetzt seit einem knappen Jahr hier, und sehr viele Bereiche der gar nicht so großen Stadt habe ich inzwischen erkundet, auch Teile der Region. Ja, mir ist das Denken der Menschen nicht mehr so fremd. Es ist mir vertrauter geworden, welche Sorgen die Menschen haben und wie sie ticken.
Wie ticken sie denn, die Schwaben und Badener und die Bewohner der Landeshauptstadt?
Ich glaube schon, dass es große Unterschiede gibt zwischen den Menschen aus dem Schwarzwald, den Balingern, mit denen wir im "Kalten Herz" gearbeitet haben und den Stuttgartern. Aber als noch nicht so lange Hierseiender sehe ich auch Ähnlichkeiten. Die Menschen hier sind offen, sie sprechen mich an, was ich aus Berlin überhaupt nicht kenne. Es gibt hier einen regen Austausch und das Bedürfnis, seine Meinung zu sagen, die nicht immer, aber derzeit überwiegend positiv ist. Es gibt aber auch Kritik, die mit einem großen Selbstbewusstsein geäußert wird. Ich habe den Eindruck, die Menschen sehen das Theater als ihres an. Nicht als Privateigentum, sondern als ihr soziales Eigentum, und das finde ich toll.
Die Berliner sind distanzierter und abgebrühter?
In Berlin gibt es unendlich viele Veranstaltungen. Da wird eine Aufführung nur wahrgenommen, wenn etwas besonders hip ist oder wenn ein Theater eine ganz besondere Leistung bringt. Nur dann ist man bereit, sich mit einem Theater zu verbünden, und das auch nur temporär. Hier in Stuttgart sind die Menschen, auch in ihre Liebe zum Theater, beständiger und bodenständiger.
Sie sitzen mit Ihrem Theater mittendrin in den Widersprüchen der baden-württembergischen Landeshauptstadt. Wir sehen hier vom Dach aus den umstrittenen Bahnhof und den abgeholzten Schlossgarten auf der einen, den Landtag auf der anderen Seite. Wir blicken auf die Idylle am Eckensee, und im Süden braust die B 14 vorbei, die die Stadt zerschneidet wie ein Messer.
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Milliarden für einen Bahnhofumbau
am 09.07.2014