Die SS hatte ein festgelegtes Verfahren: Wenn ein polnischer Zwangsarbeiter denunziert wurde, verhaftete die Gestapo den Mann und meist auch die Frau. Die "Beschuldigten" wurden bei Verhören brutal misshandelt und kamen in Haft oder in ein KZ. Der Gestapochef schickte die Akte nach Berlin, dort entschied der Reichsführer SS Heinrich Himmler meist auf "Sonderbehandlung": Hinrichtung durch den Strang. Die Akte mit dem Himmler-Befehl ging zurück an die zuständige Gestapo-Stelle, die dann die Hinrichtung durchführte. Es gab kein Gerichtsverfahren, keinen Verteidiger, es gab nicht einmal ein Gesetz, lediglich einen Erlass des Reichsführers SS.
Steinhoff, der Mann aus Oberschlesien, fungierte bei der Gestapo in Karlsruhe als Dolmetscher. Noch in seiner Zeit in Oberschlesien war er 1929 der Hitlerjugend beigetreten, ab 1932 Mitglied in der SA und der NSDAP. Er hat an etwa 20 dieser Morde teilgenommen und das Urteil auf Polnisch verlesen, vermutlich eben auch bei Repetowski. Im Verfahren gegen Faber hat Steinhoff berichtet, dass manchmal die polnischen Zwangsarbeiter ihre Kameraden aufhängen mussten.
Emil Haas, ein anderer Gestapo-Mann aus Karlsruhe, hat laut Faber-Akte am 19. April 1961 ausgesagt, es sei trotz der Androhung der Todesstrafe vorgekommen, "dass Polen sich an deutsche Frauen herangemacht und mit diesen Geschlechtsverkehr ausgeübt haben". Haas' Aussage ist es auch, in der sich ein einziges Mal in der gesamten Akte Widerspruch gegen die Hinrichtungen aus der Bevölkerung herauslesen lässt. Ein Kriminalsektretär, der in Gernsbach einen Polen exekutieren sollte, habe ihm berichtet, "dass die Bevölkerung über die Hinrichtung sehr aufgebracht sei. Die Besitzerin des Kirschbaums, an dem der Pole aufgehängt werden sollte, erklärte, sie wolle den Kirschbaum vorher absägen." Der Karlsruher Gestapo-Chef Schick hat dann einfach einen anderen Beamten beauftragt, der die Hinrichtung vollzogen hat.
Laut Gericht "nicht hinreichend verdächtig"
Die Staatsanwaltschaft hat am 23. März 1962 beantragt, das Verfahren gegen Faber wegen Mordes außer Vollzug zu setzen. Der Beschuldigte habe aus Befehlsnotstand gehandelt. Das Landgericht Karlsruhe folgte diesem Antrag knapp zwei Jahre später: Faber sei der Beihilfe zur Tötung "nicht hinreichend verdächtig".
Nach der Befreiung Tennenbronns im April 1945 bildeten die ehemaligen polnischen Zwangsarbeiter das "Polnische Komitee Tennenbronn". Am 5. Juni 1945, dem dritten Jahrestag der Ermordung von Wladyslaw Repetowski, hat es eine hölzerne Gedenktafel an dem Ort seiner Hinrichtung angebracht. Darauf stand auf Polnisch und Deutsch: "Schande über diejenigen, die Gesetze gegen Gottes Willen geschaffen haben. Schande den Erfindern der Rassengesetze. Es lebe die Freiheit!" In einem Familienalbum von Agnes Kunz fand Archivar Kohlmann drei Fotos von der Enthüllung der Tafel. Darauf zu sehen: ein langes Blumengebinde mit rot-weißer Schleife, den polnischen Nationalfarben. In der Gruppe steht Agnes Kunz mit ihrem Sohn. Ernst schauen sie in die Kamera. Sie zieht Franz Xaver auf dem elterlichen Hof groß, heiratet 1970 wieder.
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