Wenn Enrico Pieri am Sonntag von Ministerpräsident Wilfried Kretschmann empfangen wird und anschließend den Stuttgart Friedenspreis erhält, wird er vor allem an seine Eltern, Geschwister, Onkel, Tanten, Cousins und Cousinen denken, an zusammen 27 Familienangehörige, die er bei dem Massaker am 12. August 1944 verloren hat. Mehrere Hundert Frauen, Kinder und ältere Männer waren damals in dem Bergdorf Sant'Anna di Stazzema bei Lucca in der Toskana ermordet worden.
Im italienischen Sant'Anna-Prozess wurden 2005 zehn ehemalige SS-Schergen wegen "fortgesetzten Mordes mit besonderer Grausamkeit" zu einer lebenslangen Haft verurteilt. Im Gegensatz dazu hat der Stuttgarter Oberstaatsanwalt Bernhard Häußler trotz zehnjähriger Ermittlungen keine Beweise gegen die anfangs 17 Beschuldigten gefunden. Da auch die Beschwerde gegen die Einstellung des Verfahrens durch Häußler keinen Erfolg hatte, blieben Enrico Pieri und seiner Rechtsvertreterin Gabriele Heinecke nur noch das Klageerzwingungsverfahren beim Oberlandesgericht Karlsruhe. Am Mittwoch hat der Dritte Strafsenat unter dem Vorsitzenden Richter Schwab nun entschieden, dass der Antrag auf Klageerzwingung für den Beschuldigten Gerhard Sommer zurückgestellt wird, da man zuerst abklären wolle, "ob er aus gesundheitlichen Gründen (dauerhaft) verhandlungsfähig sei". Pieris Anwältin hofft angesichts des hohen Alters von Sommer "auf eine rasche Entscheidung".
Klageerzwingungsverfahren
Klageerzwingungsverfahren enden selten mit einer positiven Entscheidung. Doch gerade in NS-Verfahren waren Anwälte immer wieder dazu gezwungen. Zum Beispiel im Zusammenhang mit der Ermordung von Ernst Thälmann im KZ Buchenwald. So konnte der Strafverteidiger Heinrich Hannover in den 1980er-Jahren eine Anklage gegen einen ehemaligen SS-Funktionär wegen Beihilfe zum Mord durchsetzen, die die Staatsanwaltschaft verweigert hatte. Gescheitert ist in den Nachkriegsjahren dagegen der Versuch, im Falle des Nazirichters am Volksgerichtshof, Hans-Joachim Rehse, eine Klage zu erzwingen. Das Karlsruher Landesgericht hatte in Sachen Sant'Anna noch in vier weiteren Fällen zu entscheiden und die Anträge erwartungsgemäß zurückgewiesen. Grund:<link http: www.kontextwochenzeitung.de pulsschlag das-schweigen-des-taeters-1819.html _blank> Der Beschuldigte Karl Grobler aus dem brandenburgischen Wollin ist im vergangen Sommer gestorben. Ein weiterer Beschuldigter habe sich zum Tatzeitpunkt in einem Lazarett auf der Felseninsel Capri befunden. Der vierte sei "aus gesundheitlichen Grünen dauerhaft verhandlungsunfähig". Und der fünfte sei zum Tatzeitpunkt erst 18 Jahre alt gewesen, habe nur einen einfachen Mannschaftsdienstgrad gehabt und damit keine Entscheidungen getroffen. Die drei letztgenannten Männer waren in Italien übrigens nie angeklagt.
1 Kommentar verfügbar
Ulrich Frank
am 07.11.2013