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Kartoffeln statt Kinokunst

Kartoffeln statt Kinokunst
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Bad Waldsee ist ein idyllisches Fleckchen in Oberschwaben. Heilbad, prächtige historische Gebäude, zwei schmucke Seen und angeblich die meisten Sonnenstunden aller deutschen Kurorte. Finster wird es nur, wenn der Bürgermeister an Kultur denkt. Dann gibt es eben kein Kino, selbst wenn seine Bürger dafür sammeln und der schwarze Landrat spendet.

Wer in Stuttgart oder Ulm ins Kino gehen will, hat meist gleich um die Ecke mehrere Optionen. In Bad Waldsee ist eher Fernsehen angesagt. Nachdem bereits 1964 die Traube-Lichtspiele aufgegeben hatten, war vier Jahre später auch im Tortheater der letzte Vorhang gefallen. Zwar bietet das 20 000-Einwohner-Städtchen seinen Kurgästen das eine oder andere an Musik, Kunst und Theater, meist im repräsentativen Ambiente des Stadthauses am See, aber wichtiger ist schon die Fasnet und das Erwin-Hymer-Museum. Die Cineasten am Ort sind auf ein sporadisch gastierendes Wanderkino angewiesen, oder sie müssen längere Reisen nach Ravensburg oder Biberach antreten. Manchmal zeigt auch die Kurseelsorge einen Streifen.

Das ist bescheiden, zu bescheiden für das kulturell interessierte Völkchen, das es auch in Oberschwaben gibt. Seit letztem Jahr basteln engagierte Bürger, alles honorige Menschen, an einer Genossenschaft, die ein kommunales Kino tragen soll. 117 Genossen haben bis jetzt 125 Anteile zu je 250 Euro gezeichnet, einen Namen ("Seenema" ­– steht für Kino am Stadtsee) und einen Standort in einer ehemaligen Getränkehandlung gefunden sowie tapfer einen Antrag beim städtischen Bauamt auf Nutzungsänderung gestellt.

Natürlich gibt es einen Plan, wie das Genossenkino aussehen soll: Knapp 50 Sitzplätze sollen im Vorführraum untergebracht werden, dazu soll ein Bistro mit etwa 20 Plätzen entstehen, wo man mit Regisseuren und Darstellern diskutieren könnte. Den kinogerechten Umbau würde der Besitzer der Immobilie auf seine Kosten vornehmen, die Einrichtung und die ziemlich kostspielige digitale Vorführmaschinerie müssten die Genossen finanzieren. Als Macher und Vorstandsmitglied des Ganzen soll der 58-jährige Eugen Detzel firmieren, der über Jahrzehnte hinweg das regional herausragende Kulturzentrum Linse in Weingarten mit aufgebaut und unter dem Motto "Kino.Kultur.Kneipe" betrieben hat. Der Mann verfügt über gute Kontakte zur Filmbranche und hat zudem noch vor, kein Hollywoodkino zu machen und mit anderen kommunalen Einrichtungen zu kooperieren. Aber Detzel wird langsam sauer.

Der Grund: das Rathaus und die Nachbarn. Seit Jahresbeginn liegt der Antrag auf Nutzungsänderung auf dem Bauamt der Stadt, und mindestens ebenso lang liegen der Bauherr und die Genossenschaft mit einem Grundstücksnachbarn im Streit. In dem bäuerlichen Anwesen wohnt eine alte Frau, deren Söhne die Kinopläne energisch torpedieren, weil, wie sie behaupten, die Nachtruhe der Mutter durch diskutierende und abfahrende Kinobesucher gestört würde. Inzwischen, berichtet Detzel, habe man drei Lärmgutachten anfertigen lassen, ohne freilich den Nachbarn zufriedenstellen zu können.

Zunächst hatten die Genossen geglaubt, bei der Stadt freue man sich über bürgerschaftliches Engagement, das darauf zielt, einem Defizit im kulturellen Angebot abzuhelfen. "Andernorts", sagt einer aus dem Unterstützerkreis, "wäre der Bürgermeister Feuer und Flamme gewesen." Nicht so in Bad Waldsee. Ein Antrag auf eine Anschubfinanzierung in Höhe von 10 000 Euro sei vom Bürgermeister rundweg abgelehnt worden, berichtet das Aufsichtsratmitglied Markus Leser, der Sohn des legendären Oberschwaben-Fotografen Rupert Leser. Selbst der Ravensburger Landrat Kurt Widmaier (CDU), der heimliche König im Himmelreich des Barock, ein gebürtiger Waldseer, hat in die Tasche gegriffen und spontan 1000 Euro gestiftet. Aber auch ihm war mit seiner Fürsprache kein Erfolg beschieden. Auch der Gemeinderat, der es letztlich in der Hand hat, ob und in welchem Umfang die Stadt das Projekt unterstützt, beißt bei der Stadtspitze auf Granit: Ein fraktionsübergreifender Förderantrag wartet seit Monaten darauf, auf die Tagesordnung gesetzt und diskutiert zu werden.

Was ist also los in dem Städtchen zwischen zwei Seen? Kunst- und Kulturschaffende sagen, dass der Stadtspitze alles Kulturelle, sofern es nicht mit dem Kurwesen zu tun hat, suspekt ist. So wird dem mächtigen Kämmerer Thomas Manz das Zitat zugeschrieben, er gehe lieber zur Einweihung einer Kläranlage als zur Eröffnung einer Kunstausstellung.

Den Verdacht allerdings, dass auf Bad Waldsee die alte Schwabenlosung "Mir brauchet koi Kunscht, mir brauchet Grombiera" (Kartoffeln) zutrifft und im Rathaus also Kunstbanausen sitzen, weist Bürgermeister Roland Weinschenk (CDU) weit von sich. Wie bei anderen Genehmigungsverfahren auch sei das Bauamt zur Objektivität verpflichtet, erläutert er. Die lange Verfahrensdauer sieht er der Sorgfalt geschuldet, die besonders dann gefragt sei, wenn mit Anliegereinsprüchen wie im vorliegenden Fall gerechnet werden müsse.

Immerhin sei das Engagement der Kinogenossenschaft lobenswert, lässt Weinschenk auf Kontext-Anfrage wissen. Immerhin. Doch sich aus dem Fenster zu lehnen und Partei für das Projekt zu ergreifen oder gar Hilfe bei einer eventuell notwendig werdenden Suche nach einem anderen Standort für das Kino anzubieten, das ist des Schultes Sache nicht. Sein Standpunkt ist vielmehr: Solange keine Baugenehmigung vorliegt, lohnt es sich nicht, über ungelegte Eier zu diskutieren. Somit könne auch der Förderantrag des Gemeinderats nicht auf die Tagesordnung gesetzt werden. Persönlich werde er nichts einwenden, wenn sich der Gemeinderat für einen einmaligen Förderbeitrag entscheide. Wobei die Betonung auf einmalig liegt.

Eine dauerhafte jährliche Unterstützung kann er sich nicht vorstellen. Schließlich sei das geplante Programm des Genossenkinos nicht mit dem üblicher Lichtspieltheater zu vergleichen und dessen Lebensdauer nicht abzusehen. Weinschenk spricht in diesem Zusammenhang auch von einem Kino für Minderheiten, das er nicht goutiert.

Die Blockade des Bürgermeisters nervt die Genossenschafter zusehends. Mit jedem Monat, den das Projekt in der Luft hängt, wächst ihre Sorge, dass ihnen mit Eugen Detzel der wichtigste Akteur von der Fahne geht. Denn der im Moment stellungslose Kinomacher braucht eine Perspektive, will nicht, wie er sagt, endlos eigenes Geld und persönlichen Einsatz investieren, wenn er nicht weiß, wie es weitergehen wird. Am 9. September wollen die Waldseer Genossen noch einmal beraten. Wenn Weinschenk weiter Nein sagt, bleibt es in Bad Waldsee dunkel.


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3 Kommentare verfügbar

  • Wolfgang Bietsch
    am 13.10.2013
    Antworten
    Wir, der cineclub Leutkirch e.V., können richtig froh sein, dass wir mit unserem Bürgermeister Hans-Jörg Henle die volle Unterstützung für unser Kino haben ... wir können jetzt sogar noch das Kino mit Unterstützung der Stadt digitalisieren ... und an den guten Besucherzahlen sieht man, wie wichtig…
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