Es rumort in Freiburg, und zwar nicht erst seit gestern. Seit SWR-Intendant Peter Boudgoust seit März 2012 scheibchenweise mit dem Plan herausrückte, aus seinen beiden Sinfonieorchestern in Freiburg und Stuttgart eines zu machen, lassen die Proteste nicht nach. Als der Cellist Jean-Guyhen Queyras in einem Jugendkonzert erstmals auf die Unterschriftenaktion der Orchesterretter hinwies, <link http: www.youtube.com _blank>warnte er bereits, eine "Fusion" würde das Ende vieler Jugendprogramme bedeuten. Im Juni 2012 gaben 91 Musikstudenten des ganzen Landes in Karlsruhe ein Open-Air-Solidaritätskonzert. Wenig später brachten 1700 Zuhörer eines Konzerts in Freiburg dem Orchester ein Ständchen: Studierende hatten zu diesem Zweck Schillers Text zu Beethovens "Ode an die Freude" umgedichtet.
Bei der Eröffnung der Donaueschinger Musiktage im Herbst verknotete der Komponist Johannes Kreidler die Saiten einer Geige und eines Cellos <link http: www.youtube.com _blank>und zertrümmerte sie auf der Bühne. Er wollte zeigen: Zwei Klangkörper lassen sich nicht zu einem verbinden. Der Deutsche Kulturrat setzte das SWR-Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg (SO), das auf dem Gebiet der zeitgenössischen Musik seit 1946 weltweit den Ton angibt, auf die Liste der bedrohten Kulturgüter. Die Zahl der berühmten Komponisten und Dirigenten – von Helmuth Rilling bis Helmut Lachenmann –, die den Kulturfrevel brandmarken und das Orchester in höchsten Tönen loben, ist viel zu lang, um sie hier alle aufzuzählen.
Seit sich der Rundfunkrat dann im Dezember wenig überraschend für den Standort Stuttgart entschied, herrscht in Freiburg höchste Alarmstufe. Mal versammeln sich die Anhänger des Orchesters vor, mal nach dem Konzert. Am 3. Juni dieses Jahres gab das Freiburger Barockorchester bei einem live übertragenen Konzert eine Zugabe: In Joseph Haydns Abschiedssymphonie verschwindet ein Musiker nach dem anderen von der Bühne, bis nur noch zwei Violinisten übrig sind. Wie Petra Müllejans, Mitbegründerin und Leiterin des Barockorchesters, erläuterte, schrieb Haydn die Symphonie "aus Protest gegen fürstliche Willkür und schlechte Behandlung von Musikern". Der SWR soll erwogen haben, fürderhin alle Live-Übertragungen aus Freiburg abzusagen, und verwies den Freundeskreis des Orchesters aus dem Funkhaus – nur weil dieser seiner satzungsgemäßen Aufgabe nachkam, das Orchester mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu fördern.
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Hier noch ein paar wichtige Fakten zur Einordnung, die die Autorin unerwähnt lässt. Aus einer vermeintlichen "Abstammung" oder daraus, irgendwo Familie zu haben, ergibt sich nämlich nicht zwangsläufig eine tiefere Einsicht oder objektive...
Besten Dank.
Hey Gun Wille, "Struktureller Antisemitismus" ist ein feststehender (aber nicht unumstrittener) Begriff, der meint: es ist derselbe Mechanismus, das selbe Gedankenkonstrukt wie beim Antisemitismus, aber betrifft eben eine andere Menschengruppe....
"Die AfD spricht gerne von einer "Trans-Gender-Lobby". Dahinter steckt ein strukturell antisemitisches Erzählmuster: Es gäbe eine kleine Elite, die versuche, die Weltherrschaft an sich zu reißen und im Verborgenen Strippen zieht. Trans...
Danke für den Artikel. M.E. wurde in den Bauernkriegen die Grundlage für die exzessive Ungleichheit bei Macht und Vermögen von heute mit gelegt. Siehe Waldburg-Zeil. Aber nicht nur. Thomas Müntzer wurde verunglimpft und ausgeschaltet. 1 toller...