Wir befinden uns am Anfang des 18. Jahrhunderts, Spätbarock im Übergang zum Rokoko mit seiner verspielten Ornamentik. Es ist die Zeit von Bach und Händel, Antonio Stradivari arbeitet an Geigen, die zu den teuersten Saiteninstrumenten der Welt werden sollten. In Genf in der Schweiz werden zu der Zeit als Reaktion auf den großen Zustrom protestantischer Flüchtlinge die Befestigungsanlagen der Stadt aufwendig ausgebaut.
(...) Darüber entbrannte ein heftiger öffentlicher Streit, denn die hohen Kosten erregten großen Unmut, handelte es sich doch um das bis dahin teuerste Bauprojekt in der Geschichte der Schweiz. Auch Micheli du Crest, seinerzeit Hauptmann und Mitglied einer Patrizier-Familie, hielt das Projekt für untauglich und entwickelte verschiedene Gegenvorschläge, die wesentlich billiger und, seiner Auffassung nach, effizienter waren. Er plädierte energisch für die Veränderung des Baus im Sinne eines sparsamen Staatshaushalts, legte sich mit der gesamten Regierung an und wurde zu einem Wortführer der Gegner des Projekts. "In der Geschichte der Schweiz und Kontinentaleuropas bildet diese Form der Auseinandersetzung eine Neuheit: die Geburt der parlamentarischen Opposition aus dem Geiste des wissenschaftlichen Tadels." (Meier 1999)
Die Auseinandersetzungen verliefen oft handgreiflich. So versammelten sich am 4. März 1734 tausend bewaffnete Bürger vor dem Rathaus und erklärten, dass das Festungsprojekt und dessen Finanzierung von der Bevölkerung abgelehnt werde und verfassungswidrig sei. Mehrere Personen wurden noch während der Versammlung inhaftiert, konnten jedoch kurze Zeit später von einer Gruppe aufgebrachter Bürger befreit werden. Micheli du Crest wurde aus der Stadt verbannt und ihm seine Bürgerrechte aberkannt. Daraufhin agierte er eine Weile von Paris aus, verfasste politische Schriften und wurde wegen Anstiftung zum Bürgerkrieg angeklagt.
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