Was musste nicht alles gelesen werden in der Familie Grohmann. Damals in Breslau die "Jüdische Volkszeitung" und die "Schlesische Zeitung", später ein Nazi-Blatt, aber natürlich nur "aus taktischen Gründen", die "Volkswacht" in der DDR, dann im Westen der "Alb-Bote", die "Schwäbische Zeitung", der "Reutlinger General-Anzeiger" während der Lehrzeit. "In Stuttgart", erzählt Peter Grohmann, "las ich meine eigenen Leserbriefe", die proletarischen "Stuttgarter Nachrichten" und die "Cannstatter Zeitung". Schließlich in Dresden, nach dem Fall der Mauer, die taz und die "Frankfurter Rundschau". Und, wieder zurück in Stuttgart, die StZ. Heute empfindet es der 80-Jährige wie viele auf der Kulturinsel – der Umgang der beiden Landeshauptstadtblätter mit Stuttgart 21 hat ihm "den Nerv geraubt, den Spaß genommen" und vor allem den Glauben, "wenigstens ans Bemühen, unabhängig Bericht zu erstatten".
Kontext hat die Frage "Was wollen wir lesen, sieben Tage lang?" ins Zentrum des bunten Treffens gerückt. 500 Interessierte haben über den vergangenen Samstag verteilt den Weg gefunden. Unter ihnen Edzard Reuter mit Frau Helga, Dieter Reicherter und sein Richterkollege Christoph Strecker, Veronika und Michael Kienzle, JournalistInnen von "Holzmedien". Wolfgang Schorlau hat Georg Dengler im Angebot, über den er spricht wie über einen Freund. Wenn er vom Wert der Derivate berichtet, der so hoch ist, "dass man zwölf Mal alles kaufen könnte auf der Welt, was es zu kaufen gibt", wenn er beschreibt, wie sich sein Held auf der griechischen Insel Tinos selbst ins Abseits manövriert, indem er zuerst bei der Kniewallfahrt einen Behinderten mimt, um dann als Verfolger seiner Zielperson für wundergeheilt gehalten und am Aufbruch gehindert zu werden, dann kehrt gespannte Aufmerksamkeit ein im Biergarten. Aber Krimis sieben Tage lang?
Auch ein Trost: NRW ist noch viel schlimmer
Susanne Stiefel, Kontext-Chefredakteurin, will "hintergründigen Journalismus", unabhängig und kritisch. Keine Katzenvideos. Dieses Credo wird bestimmt von allen geteilt, von den 200 ZuhörerInnen und von dem Quartett, das sich unter Anleitung von Stefan Siller zu einer Podiumsrunde zusammengefunden hat. Nachdem die StZN auch noch die "Esslinger Zeitung" und "Böblinger Kreiszeitung" geschluckt haben, spricht Stiefel von "Mainstream-Presse", Oliver Schröm, Chefredakteur des Rechercheteams <link https: correctiv.org external-link-new-window>"Correctiv", hält dagegen die Zeitungslandschaft im Südwesten für immer noch ausgesprochen vielfältig. NRW sei viel schlimmer, sagt er. Für <link https: www.kontextwochenzeitung.de politik der-schwarze-motor-block-4508.html internal-link-new-window>"Anstalt"-Autor Dietrich Krauß stellt sich die Frage nach der Wunschlektüre gar nicht erst. Er muss bestimmte Texte lesen in der Vorbereitung auf die nächste Sendung: "Alle vier Wochen begebe ich mich in einen Thementunnel, leicht autistisch und fixiert." Und immer aufs Neue nutzt er "die irre Möglichkeit, über das Netz an sehr viel Sachen ranzukommen".
3 Kommentare verfügbar
Andromeda Müller
am 21.05.2018Das Private und Gesponserte wie "Correctiv" per Justizminister Maas zu Zensurbehörden erhoben worden…