Anfangs hatte ich kein besonderes Interesse an alten Menschen. Lebensnotwendigkeiten haben mich schließlich als Demenzbetreuer in ein Alten- und Pflegeheim gebracht. Nach einiger Zeit habe ich bemerkt, dass mich die alten Menschen mit allen ihren Eigentümlichkeiten in meinem Innersten anrühren.
Diese Menschen sind am Ende ihres Lebens. Sie befinden sich in einer Notlage. Das macht den Kontakt mit ihnen auf eine besondere Weise intensiv und nicht alltäglich. Sie sind Überlebende, die letzten ihres Jahrgangs. Zumeist ist der Partner tot, manchmal sogar das Kind. Es ist kein leichtes Los, in einem Heim zu wohnen. Wenn es möglich wäre, dann würden einfach alle wieder nur nach Hause wollen.
Der Beruf des Pflegers wurde systematisch kaputtgemacht. Es geht nur noch darum, Kosten zu sparen. Die Arbeit mit Alten ist Arbeiten am Fließband. Meine Kollegen sind in Ordnung, aber sie stehen zeitlich und auch sonst unter großem Druck.
Aber die Alten brauchen Zeit. Sie brauchen Langsamkeit und Geduld. Sie brauchen unsere Zuwendung.
An Demenz erkrankt sein, heißt vergessen. Aber der Weg bis zur Auslöschung ist zumeist lang. Und auf diesem langen Weg begegnen uns all diese Menschen mit ihren Eigenheiten, Schwächen und bewundernswerten Stärken.
An Demenz erkrankte Menschen werden oft unterschätzt. Sie sind immer mehr als das, was sie zu sein scheinen.
Letzte Woche hat mir eine Frau, die bei komplizierteren Erzählungen schon nicht mehr die Worte findet, diesen einfachen, klugen Satz gesagt: "Ich habe so viel gesehen und noch zu wenig."
Und das finde ich bemerkenswert.
Zoltán Jókay zeigt in der Ausstellung "Mrs Raab wants to go home" Fotografien, die er in den Jahren 2009 bis 2012 aufgenommen hat. Sie sind bis 28. Februar 2016 montags bis samstags 8 bis 20 Uhr im Kloster Obermarchtal zu sehen.
3 Kommentare verfügbar
Rolf Steiner
am 30.10.2015Ich habe vor 20 Jahren das Rauchen aufgegeben, aber ich…