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AfD-Europaabgeordneter Tomasz Froelich

Ein Hardliner für die Ortenau

AfD-Europaabgeordneter Tomasz Froelich: Ein Hardliner für die Ortenau
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Ein französisches Magazin sieht in ihm den "Shootingstar der deutschen extremen Rechten": Der AfD-Europaabgeordnete Tomasz Froelich vereint akademischen Hintergrund mit rhetorischer Hemmungslosigkeit. Seit Kurzem lebt er in Baden-Württemberg und ist hier auch kommunal aktiv.

Es ist noch nicht allzu lange her, da forderte Tomasz Froelich den Aufbau einer AfD-Parteimiliz: "Gegen Angriffe auf Wahlkampfstände der AfD hilft nur eine stabile Gegenwehr. Da reicht ein halbes Dutzend stabiler Leute aus, und es ist Ruhe", schrieb er 2021 auf Twitter. "Ein Art Anti-Antifa, wie sie andere Rechtsparteien, wie etwa der Vlaams Belang, auch haben."

Anfang 2020, nachdem die AfD in Thüringen kurzzeitig durch die FDP in die Regierung gebracht worden war, freute er sich an selber Stelle: "Die Auswanderung Michel Friedmans rückt näher." Das war eine Anspielung auf die Aussage des jüdischen Publizisten Michel Friedman in der FAZ, dass er auswandern werde, wenn die AfD an die Macht kommen würde. Online ist Tomasz Froelich sowieso nicht sonderlich zurückhaltend. Im Juli 2023 sprach sich der AfD-Politiker in einem Podcast der "Jungen Alternative Baden-Württemberg" für ein Verbot des "Christopher Street Days" aus: "Man sieht in Moskau keinen Christopher Street Day, der meiner Meinung nach in Deutschland verboten gehört."

Damit ist Froelich ein gutes Beispiel dafür, dass die AfD nicht nur nach ihren Parteiprogrammen, sondern auch nach den Positionen einzelner Politiker:innen beurteilt werden sollte. Interessant ist bei Froelich, der seit vergangenem Jahr für die AfD im Europaparlament sitzt, auch seine Herkunft aus dem rechtslibertären akademischen Milieu, der Mann ist damit ein anderes intellektuelles Kaliber als viele seiner Parteikolleg:innen.

Seit Januar 2025 ist er zudem in der Ortenau auf kommunaler Ebene für die AfD aktiv. Im Juni 2025 wurde er zum stellvertretenden Sprecher im AfD-Kreisverband Ortenau gewählt. Schon lange sind seine Verbindungen in den Südwesten bekannt, nun hat er offenbar seinen Wohnsitz nach Baden-Württemberg verlegt.

Rechter Libertärer an der Uni

Tomasz Mariusz Froelich wurde am 15. Oktober 1988 in Hamburg als Kind polnischer Eltern geboren. In seiner Jugend soll er Kontakte zur Hooligan-Szene gehabt haben. Im Jahr 2022 tauchte ein Bild von ihm mit der HSV-Fangruppierung "Boozehounds" in der Nordkurve des HSV auf. Die Fan-Szene reagierte mit einer deutlichen Distanzierung: "Nazis sind beim HSV nicht willkommen!", hieß es in einem auf Froelich zugeschnittenen Statement. "Seine Person ist in der Fanszene unseres HSV nicht erwünscht und wird nicht geduldet."

Nach dem Abitur 2008 in Hamburg begann Froelich in Wien Politikwissenschaft und Internationale Entwicklung sowie Sozioökonomie zu studieren. Während seines Studiums kam er schnell in Kontakt mit der Szene der rechten Libertären, die ihren ökonomischen Marktradikalismus mit reaktionären Gesellschaftsvorstellungen verbinden. In diesem Umfeld war er lange aktiv.

Beispielsweise war Froelich von 2011 bis 2013 Volontär (Übersetzung und Co-Redaktion) am "Ludwig von Mises Institut" in Warschau. Ludwig Heinrich von Mises (1881–1973) war ein aus Österreich stammender Wirtschaftstheoretiker, der als einer der wichtigsten Vertreter der so genannten "Österreichischen Schule der Nationalökonomie" gilt, die sich gegen staatliche Einflussnahme in Wirtschaft und Sozialem wendet. Es handelt sich um eine Art ideologischen Neoliberalismus, die Anhänger:innen können als Rechtslibertäre bezeichnet werden.

An seinem Studienort Wien war Froelich 'Local Coordinator' der "European Students for Liberty". Was sich anhört wie eine Menschenrechtsorganisation, ist eine rechtslibertäre Gruppe. Außerdem war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am "Austrian Institute of Economics & Social Philosophy" von Martin Rhonheimer. Rhonheimer ist eine Person an der Schnittstelle zwischen marktradikaler und christlicher Rechten: Er ist Priester der rechtskatholischen Elite-Organisation "Opus Dei" und Gründungs-Präsident des Privat-Instituts in Wien, welches sich an der "Österreichischen Schule der Nationalökonomie" orientiert.

Gleichzeitig betrieb Froelich den – inzwischen still gelegten – rechtslibertären Blog "Freitum". Für den Blog und als vielversprechender Nachwuchs-Rechtslibertärer erhielt er 2012 die Roland-Baader-Auszeichnung. Roland Baader (1940–2012) war Volkswirt und Publizist, der jeden Form von Sozialstaat als 'Sozialismus' zu delegitimieren versuchte.

Einstieg als rechte Hand von Meuthen

Neben dem rechtslibertären Milieu bewegt sich Froelich schon länger auch in anderen rechtsextremen Milieus. So bezeichnete er sich selber einmal als "kyffhäuserreaktionärlibertär". Die Kyffhäuser-Treffen waren Veranstaltungen, zu denen der Thüringer AfD-Politiker Björn Höcke jahrelang seine Getreuen aus der völkisch-nationalistischen Gruppierung "Der Flügel" versammelte – bis zur Selbstauflösung des "Flügels" im April 2020.

Wie viele Rechtslibertäre schloss sich auch Froelich irgendwann der AfD an. Damit ging auch eine gewisse inhaltliche Verschiebung einher, wie er selber 2024 einräumte: "Als ich jung war, war ich in der außerparlamentarischen Opposition sehr aktiv. Ich war ein rechter Libertärer. Heute bin ich ein rechter Traditionalist, der die Werte der Familie schätzt. Ich bin ein Hardliner, aber kein Extremist, wie manche behaupten."

Nach seinem Studium wurde Froelich 2016 AfD-Mitglied und begann im Juni desselben Jahres als parlamentarischer Berater der AfD-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg zu arbeiten. Ebenso wurde er Büroleiter des damaligen AfD-Parteivorsitzenden Jörg Meuthen. Der nahm Froelich als Mitarbeiter ins Europaparlament mit, in dem Meuthen von 2017 bis 2024 als Abgeordneter saß. Von Oktober 2016 bis Ende 2019 arbeitete Froelich für Meuthen und galt parteiintern als dessen rechte Hand.

Froelich war ab 2019 Pressesprecher der AfD-Delegation im Europaparlament und seit 2022 parlamentarischer Berater der Fraktion "Identität und Demokratie". Gleichzeitig machte er Karriere im Jugendverband der AfD, der bis zur Selbstauflösung im März 2025 noch "Junge Alternative" (JA) hieß. So war er von Februar 2019 bis März 2025 stellvertretender Bundesvorsitzender der "Jungen Alternative" und gleichzeitig von 2019 bis 2021 Landesvorsitzender der "Jungen Alternative Hamburg".

2024 ins Europaparlament gewählt

Mit der JA als Machtbasis nahm Froelich Anlauf, um selbst ins Europaparlament zu kommen. Im Juni 2023 kürte ihn die JA zu ihrem Spitzenkandidaten zur EU-Wahl, ein Jahr später wurde er ins Europaparlament gewählt und kurz darauf zum ersten stellvertretenden Leiter der AfD-Delegation.

Interessant ist der Blick auf die online einsehbare Mitarbeiter:innen-Liste von Froelich im Europaparlament. Dort wird unter anderem Marvin Neumann aufgeführt. Er und Froelich kennen sich aus der JA, Neumann war im April 2021 kurzzeitig JA-Bundesvorsitzender. Er hielt sich nicht lange, weil es Druck aus der Mutterpartei gab, nachdem Tweets von Neumann bekannt geworden waren, in denen er behauptete, es gäbe "keine Schwarze(n) Deutsche(n) und Europäer". Anfang Mai 2021 verließ er die Partei und verlor damit auch seinen Vorsitz bei der JA.

Froelichs Polnischkenntnisse sorgten für diverse Kontakte in das östliche Nachbarland Deutschlands und die dortige rechte Szene. Die ehemalige Regierungs-Partei "Prawo i Sprawiedliwość" (PiS) sieht er eher kritisch, weil unter deren Mitgliedern immer wieder antideutsche Töne laut werden. Stattdessen sieht Froelich in der Partei Konfederacja einen geeigneten Bündnispartner. Im Juli 2023 schrieb Froelich auf X: "Die PiS ist eine ressentimentgeladene Partei, die sich konservativ gibt, aber in Wirklichkeit konservative Werte mit Füßen tritt. Man schaue nur auf die Massenmigration, die auch vor Polen nicht Halt macht. Das sind Auswüchse sklavischer Westbindung. In Polen nur die Konfederacja." Die Konfederacja ist ein Sammelbecken von Ultranationalisten, Rechtslibertären und Monarchisten. Nicht wenige davon sind offen auftretende Antisemiten wie der ehemalige Parteivorsitzende Grzegorz Braun. Am 13. und 14. November 2023 traf sich Froelich in Warschau mit Vertretern der Partei.

Seine Kontakte zur polnischen Rechten verhalfen ihm offensichtlich auch zu einem Auftritt auf der "Conservative and Political Action Conference" (CPAC) in Warschau am 27. Mai 2025. Die CPAC ist der Versuch von rechten Kräften aus den USA, weltweit Gleichgesinnte zu vernetzen und Kräfte zu bündeln. Bisher war die AfD von der CPAC-Redetribüne ausgeschlossen. Auch die mehrmals stattfindenden CPACs in Budapest unter Schirmherrschaft von Ministerpräsident Viktor Orbán fanden lange Zeit ohne AfD-Redner:in statt. Das scheint nun vorbei. Wenige Tage nach Froelichs Auftritt bei der Konferenz in Warschau trat die AfD-Bundesvorsitzende Alice Weidel bei der weitaus größeren CPAC in Budapest auf und zelebrierte damit, dass die AfD nun auch offiziell Teil des extrem rechten Establishment geworden ist.

Außenpolitisch entsprechen Froelichs Positionen nicht in allen Punkten dem AfD-Mainstream. So wirft er anderen Parteimitgliedern ein naives und romantisierendes Russland-Bild vor und übt Kritik von rechts: "Ich sehe Russland auch nicht als wertkonservatives Bollwerk gegen den Westen: Es hat viel höhere Abtreibungs- und Scheidungsraten als die BRD, grassierende Korruption, eine dekadente Oligarchenschicht und nutzt mit Lukaschenko muslimische Migranten als hybride Kriegswaffe an der polnisch-weißrussischen Grenze ein – sicherlich auch als Reaktion auf die Regime-Change-Versuche des Westens in Minsk."

"Teil einer neuen Generation der extremen Rechten"

Ob Froelich künftig in Baden-Württemberg eine größere Rolle innerhalb der AfD spielen will, nachdem er im Ortenau-Kreis schon für die Partei aktiv geworden ist, bleibt abzuwarten. Auf europäischer Ebene ist er jedenfalls schon im Fokus größerer Medien: Das französische Wirtschaftsmagazin "Challenges", eher im wirtschaftsliberalen Mainstream angesiedelt, widmete ihm im September 2024 ein Porträt. In dessen Titel war die Frage formuliert, ob Froelich der "Shootingstar der deutschen extremen Rechten" sei. Im Text wurde er als "Teil einer neuen Generation der extremen Rechten" bezeichnet, "bosseuse et décomplexée" – was Froelich selbst in einem Post auf X mit "hart arbeitend und unverkrampft" übersetzte. "Décomplexée" lässt sich allerdings auch mit "enthemmt" übersetzen – was angesichts mancher seiner Äußerungen besser zu ihm passt.

Froelichs Demokratiefestigkeit lässt sich jedenfalls mit guten Gründen in Zweifel ziehen. Die Forderung nach einem CSD-Verbot, also die Einschränkung des Demonstrationsrechts für einen Teil der Bevölkerung, wäre ein klares Indiz. Ein weiteres wäre ein Poser-Foto von ihm vor einer Statue von Józef Piłsudski (1867-1935), einem Offizier und Politiker, der Polen nach einem Staatsstreich von 1926 bis 1935 autoritär regierte. Zu dem Bild schrieb Froelich "Glos oddany", zu Deutsch "Stimmabgabe". Pilsudski ist heute eine Identifikationsfigur für viele polnische Rechte und Rechtsextreme – und Froelichs Foto auch ein Hinweis darauf, dass es innerhalb der AfD keineswegs nur NS-Nostalgiker gibt, vielmehr gibt es eine Vielzahl an historischen und aktuellen antidemokratischen Vorbildern.

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