Der erste Zugriff konnte gerade noch abgewendet werden. Denn eigentlich wollte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) den Datenschutz dem Infektionsschutz unterordnen und "technische Mittel einsetzen, um Kontaktpersonen von erkrankten Personen zu ermitteln". Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) trat auf die Bremse und verhinderte Handy-Ortung und Standort-Tracking. Datenschützer Brink lobt die Sozialdemokratin dafür, dass es selbst in der Krise noch genügend Leute gebe, "die den Datenschutz und unser Grundgesetz mitdenken".
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts leitet sich die informelle Selbstbestimmung aus Artikel 2 und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht ab. "Mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung wären eine Gesellschaftsordnung und eine diese ermöglichende Rechtsordnung nicht vereinbar, in der Bürger nicht mehr wissen können, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über sie weiß", heißt es im berühmten Volkszählungsurteil von 1983. Spahn gibt trotzdem nicht auf und damit einen Ausblick auf die Auseinandersetzung, die die Republik überrollen wird, wenn es um Ausmaß und Zeitpunkt der Schritte zurück zur Normalität geht.
Möglichkeit zur hemmungslosen Handyspionage
Jetzt ist eine freiwillig zu nutzende App in der Diskussion, in der als Beispiel Südkorea genannt wird mit seiner aktuellen Verdoppelungsrate der Corona-Fälle von 80 (!) Tagen – in Deutschland sind es gegenwärtig laut Johns-Hopkins-Universität knapp sechs. Allerdings ist Südkorea ein Land, aus dem BürgerrechtlerInnen vor fünf Jahren einen Hilferuf in die westliche Welt sandten, als bekannt wurde, wie dortige Behörden und vor allem der Geheimdienst Oppositionelle, GewerkschafterInnen und JournalistInnen hemmungslos ausspionierten. Allein in sechs Monaten waren seinerzeit sechs Millionen Telefonnummern betroffen. Der gesellschaftliche Aufschrei blieb aus. "Wir haben eine lange Periode an Diktatoren überdauern müssen, deshalb sind die Koreaner daran gewöhnt, überwacht zu werden, und mit dem Konzept der Privatsphäre nicht vertraut", schrieb der Internetaktivist Oh Byoung-il damals.
Inzwischen ist die Zahl der Smartphone-Süchtigen unter Kindern und Jugendlichen explodiert. Eltern müssen (!) auf jedem neugekauften Gerät Überwachungs-Apps installieren, um den Nachwuchs besser zu kontrollieren. Und Upskirting ist von vorgestern. Immer wieder werden Fälle heimlicher privater Ausspähung publik, per Kamera im Föhn, per Laptop oder TV-Schirm. Auch international für Schlagzeilen sorgte, als in einem Edelhotel über Monate 1600 Gäste zum Beispiel im Badezimmer gefilmt und die Aufnahmen über registrierte NutzerInnen verbreitet wurden. Das Land sei Versuchslabor großer Unternehmen, klagen Kritiker wie Oh Byoug-il, es werde hemmungslos überschwemmt mit immer neuen Technologien zum Dumpingpreis, um deren Reiz zu testen.
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Verena Saisl
am 02.04.2020"Weitere Studie belegt Lüge „anonymer“ Daten
Anonyme Daten sind oft gar nicht wirklich anonym, in vielen Datensätzen können Einzelne auch ohne Namen eindeutig identifiziert werden. Mit welcher erstaunlicher Präzision das geht, verdeutlicht eine neue Studie. Viele Firmen und …