Der Satz des Anstoßes ist leicht zu fassen: "Ein Kind, das kaum Deutsch spricht und versteht, hat auf einer Grundschule noch nichts zu suchen." Würde der reichlich rau formulierte Gedanke weitergehen mit "Deshalb muss der Bund sofort seine Kürzungen der Integrationsmittel rückgängig machen" oder "Deshalb müssen wir Länder und Kommunen finanziell unterstützen", wäre die Aufregung wohl ausgeblieben. Carsten Linnemann, der Vorsitzende der CDU-Mittelstandsvereinigung, hat aber nichts dergleichen hinzugefügt. Stattdessen will er Eltern ohne deutschen Pass zwingen, ihre Kinder in eine "Vorschule" zu schicken. Und wenn das nicht die gewünschten Ergebnisse bringt, sie vom Übergang in die erste Klasse ausschließen.
Selbst ParteifreundInnen wie Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann nennen das "Ausgrenzung" und den "falschen Weg". Viele Fachleute gehen hart ins Gericht mit dem 42-Jährigen, der zu jenen gehört, die die konservative Tonlage in der Union mitprägen wollen. Gutes für die Zukunft verheißt das nicht. Natürlich ist Linnemann auf kurzfristigen Geländegewinn für seine Schwarzen vor den Wahlen im Osten aus. Der Preis allerdings ist hoch: Der Buchhändlersohn mit dem jugendlichen Auftreten polemisiert und polarisiert, er missversteht, wie Integration funktioniert, und negiert alle Erkenntnisse zum Thema Zuwanderung und Spracherwerb.
"Ich konnte kein Deutsch, als ich als 12-Jährige in die Hauptschule kam", schreibt ihm die Stuttgarter Landtagspräsidentin Muhterem Aras ins Stammbuch, "als aber meine Nebensitzerin in der ersten Stunde sah, dass ich die Matheaufgabe gelöst hatte, durfte ich sie an der Tafel vorrechnen." Sie machte Abitur am beruflichen Johann-Friedrich-von-Cotta-Gymnasium, studierte Wirtschaftswissenschaften, eröffnete ein Steuerbüro und machte eine steile politische Karriere bei den Grünen.
Die Probleme werden eben nicht immer größer
Viele tausend solcher Geschichten gibt es von sogenannten "Gastarbeitern" aus der Türkei, Griechenland, Italien oder Jugoslawien, die anfangs oft dachten, sie seien nördlich der Alpen im Paradies oder zumindest in einer besseren Welt gelandet. Spätestens seit den Balkankriegen der Neunziger Jahre steht fest, wie Teilhabe funktionieren kann und muss. "Wenn wir in jeder Sonntagsrede erzählen, wie wichtig die Sprache für die Integration ist, dann müssen bei uns alle Alarmglocken schrillen", sagt Linnemann. Stimmt. Die Fortsetzung des Gedankens allerdings stimmt nicht: "Die Probleme werden immer größer, wir erleben neue Parallelgesellschaften in vielen Bereichen des Landes", sagt er und beklagt, wie Eltern "bis tief hinein in die Mittelschicht ihre Kinder auf Privatschulen schicken, weil das Niveau an staatlichen Schulen sinkt."
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Carlos
am 15.08.2019Was ist…