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Anklage aus dem Zeugenstand

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Theresia Bauer wollte den Ball flach halten in der Ludwigsburger Zulagen-Affäre. Jetzt muss sie Anfang Mai erneut vor den Untersuchungsausschuss. Zwar haben die Vorwürfe der Ex-Rektorin Claudia Stöckle beträchtliche Schwächen. Doch in vielen Punkten steht Aussage gegen Aussage.

Allein der Auftakt des denkwürdigen 13. Sitzungstag ist befremdlich. Eigentlich will, gemäß der vereinbarten Reihenfolge, SPD-Obmann Sascha Binder anfangen, seinen Fragenkatalog abzuarbeiten. Doch die Ausschussvorsitzende Sabine Kurtz (CDU) fährt ihm in die Parade und wendet sich ihrerseits an die Zeugin Claudia Stöckle. Daraufhin startet die frühere Rektorin der Beamtenhochschule Ludwigsburg ihren ersten Rundumschlag und kritisiert "das Chaos, das das Wissenschaftsministerium zu erzeugen versucht". Dann erst antwortet sie der Vorsitzenden auffallend zügig und glücklicherweise ist der Leitz-Ordners vor ihr schon an der richtigen Stelle aufgeschlagen. Alles Zufall natürlich. Stunden später wird die Zeugin erläutern, wie sie immer mal wieder mit diversen Abgeordneten Zufallskontakte hatte, aber nicht mehr.

Was nicht alles Zufall ist. So hat die promovierte Juristin fast vier Jahre nach ihrer Abwahl als Hochschulleiterin noch dieses Plakat in ihren Unterlagen gefunden. Darauf hat sie mehrfarbig und dicht beschrieben all ihre Baustellen in der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen verzeichnet. Mit ausgebreiteten Armen hält sie es den Ausschussmitgliedern vor. So will sie den vorgefundenen Zustand an der Hochschule illustrieren. Das Chaos – von den Zulagen, über das Rechenzentrum, bis zu den ungenehmigten Nebentätigkeiten von Lehrenden. Dass sie dieses Chaos als Rektorin verstärkt haben könnte, passt nicht ins Weltbild der Spitzenbeamtin. Ihr Talent besteht darin, die Dinge so darzustellen, dass sie selbst gut dasteht.

Bestes Beispiel ist die eigene wechselvolle Karriere. Zwölf unterschiedliche Posten hat sie vor ihrer Berufung nach Ludwigsburg bekleidet. Nach der Übernahme in den Staatsdienst 1988 war die Juristin in den Regierungspräsidien Stuttgart und Karlsruhe tätig, von 1991 bis 1993 im sächsischen Umweltministerium, danach abgeordnete Richterin, schließlich zwei Jahre lang an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung, später wieder beim Regierungspräsidium Karlsruhe in verschiedenen Referaten, ab 2002 im Innenministerium, dort in etlichen Referaten, und ab 2008 Erste Landesbeamtin und stellvertretende Landrätin im Landkreis Calw, bis sie 2012 nach Ludwigsburg wechselte. Als Sascha Binder die kurvenreiche Laufbahn anspricht, gewinnt die Zeugin ihr eine für sie günstige Pointe ab: Die zwölf Stationen und die damit verbundene "hohe Veränderungsbereitschaft" seien doch sehr gut und sehr positiv zu bewerten.

Die Rollen sind verteilt in dieser überlangen Vernehmung, für die der Ausschuss zwei volle Tage investiert hat. An Theresia Bauer, seit ihrem Amtsantritt vor sieben Jahren immerhin drei Mal zur Wissenschaftsministerin des Jahres gekürt, lässt die Zeugin kein gutes Haar. Viel zu spät habe diese sich für die Zulagen-Affäre interessiert. Und dann werden schwere Geschütze aufgefahren: Von "Strafvereitelung im Amt" ist die Rede, ihre Abwahl als Rektorin sei eines "Rechtsstaats nicht würdig" gewesen. So, sagt die 59-Jährige, könne man "in einem Staat jeden fertigmachen". Von einem "Baueropfer" – das Wortspiel ist beabsichtigt – wird der FDP-Obmann im Ausschuss, Nico Weinmann, später sprechen. Doch hinter vorgehaltener Hand kursiert unter Sozialdemokraten und Liberalen die Einschätzung, dass mit Stöckle "allein als Kronzeugin", wie ein Oppositionsabgeordneter sagt, "kein Staat zu machen sein wird". Allerdings bestehe in einem Untersuchungsausschuss ja immer die Chance, "dass die, die im Fokus stehen, Fehler machen".

Oder bereits gemacht haben. Bauer ist spätestens mit diesem zweiten Auftritt ihrer Widersacherin Stöckle in die Defensive geraten. Bereits Ende Januar hatten Spitzenbeamte aus dem Hause der Grünen berichtet, wie es der Rektorin 2014 honoriert worden wäre, hätte sie ihren Hut von sich aus genommen. Bei gütlichen Vertragsauflösungen ist diese Praxis durchaus üblich. Und auch in ihrem Fall sollte so der weitere Werdegang nicht behindert werden.

Stöckle war erbost über die ihr angebotene "unterwertige Verwendung"

Bei der jüngsten Sitzung des Ausschusses am vergangenen Montag rollte die Betroffene die Verantwortung für dieses "ungeheuerliche Vorgehen" allein vor die Tür der Ministerin. Bauer selbst habe ihr angeboten, den Abschlussbericht zur Lösung der Vertrauenskrise zu ihren Gunsten zu ändern, wenn sie freiwillig aus dem Amt ausscheide. Sie will die Ministerin gefragt haben, wohin sie zurücktreten und ob sie von der Sozialhilfe leben solle. Die habe geantwortet, dass sie das nichts angehe. Wieder wird erst nach mehreren Anläufen deutlich, wie sehr es solchen Aussagen an Präzision mangelt. Tatsächlich war Stöckle, die inzwischen ins Regierungspräsidium Stuttgart zurückgekehrt ist, seinerzeit eine Stelle im Innenministerium angeboten worden. Die allerdings genügte ihren Ansprüchen nicht. Sie zeigte sich erbost sich über die "unterwertige Verwendung", es gehe "doch hier um Gesichtswahrung und um Adäquanz".

Bei ihrem ersten Auftritt im Ausschuss war Bauer als Verteidigerin in eigener Sache unterwegs gewesen. Sie habe "als Ministerin alles in meiner Macht Stehende getan, um die Krise an der Hochschule schnellstmöglich, nachhaltig und mit Augenmaß zu überwinden", sagte sie Ende Juni 2017. Sie habe sich nie hinter der Hochschul-Autonomie versteckt. Vielmehr sei von ihrem Haus "im Rahmen der Rechtsaufsicht" mehrfach interveniert worden, "ohne in die Bereiche einzugreifen, die in der Verantwortung der Hochschule lagen". Zudem konnte und kann sie auf eine offizielle Mitteilung von Ende 2013 verweisen. Danach sei es gelungen, all die umstrittenen Zulagen für Professoren und Professorinnen umzudeuten, so dass "keine rechtswidrigen Fälle mehr vorhanden sind". O-Ton: "Damit war der Fall für uns zunächst erledigt."

Inzwischen liegt die Betonung vor allem auf dem "zunächst". MitarbeiterInnen im Ministerium berichten von der zeitlichen Belastung durch die parlamentarische Untersuchung, aber auch von steigender Nervosität. Die Angst "vor einem Fehltritt" sei riesig, berichtete ein Spitzenbeamter am Rande einer Ausschusssitzung. Aufregung entstand erst recht, als sich herausstellte, dass Zeugen im Wissenschaftsministerium nicht nur Aktieneinsicht erhielten, sondern auch argumentative Unterstützung für ihre Aussagen.

Und die Hoffnung, die Hochschule werde wieder zur Ruhe kommen, darf die Grüne vorerst begraben. Der neue Rektor Wolfgang Ernst hatte in seiner Vernehmung zwar erklärt, man sei auf einem guten Weg. Doch dieser Tage erst legte die Steuergewerkschaft eine Umfrage unter 244 Studierenden vor. Demnach herrscht bei Prüfungen Chaos und DozentInnen fehlt der Praxisbezug. Wenn das stimme, so Sabine Kurtz, sei das "hochgradig problematisch". Die Ausschussvorsitzende will solchen Vorwürfen nachgehen. In der vergangenen Legislaturperiode war sie als wissenschaftspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion eine von Bauers schärfsten Kritikerinnen. 


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4 Kommentare verfügbar

  • Eine Ehemalige
    am 14.04.2018
    Antworten
    Dass Frau H-W den Grünen nahesteht, weiß man ja schon seit längerem. Aber dieses Mal hat sie den Bogen überspannt mit ihrem Versuch, die grüne Wissenschaftsministerin reinzuwaschen. Wenn man die üblen Verhältnisse nicht schönreden kann, versucht man eben denjenigen zu diskreditieren, der darauf…
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