Aber auch bei der "Zielgruppe" scheitert der Versuch, alle linken Kräfte zu bündeln. "Was man im ersten Enthusiasmus übersehen hat: Dass hinten dran dieses feinädrige Geflecht der alten Kommunisten war", sagt Grohmann. Trotz der offeneren Ausrichtung bilden alte KPD-Mitglieder und Funktionäre den stärksten Flügel in der neuen Partei, sie stellen etwa die Hälfte der Mitglieder und der Kandidaten für die Landtagswahl. Und auch die alten Finanzierungswege bleiben bestehen. Wie intensiv, ist unklar. Aber Grohmann vermutet, dass die DL "komplett" von Ostberlin aus finanziert wurde.
Das Übergewicht der alten KPDler führt zu Zurückhaltung bei anderen linken Gruppen. So lehnt der Sozialistische Deutsche Studentenbund (SDS) auf einer Delegiertenkonferenz im März 1968 die DL klar ab. Aber auch ein alter Freund und Weggefährte Eberles, der legendäre Gewerkschafter Fritz Lamm, tritt, obwohl an Vorbereitungstreffen beteiligt, der neuen Partei nicht bei, weil er ihre Wahlchancen für aussichtslos hält.
Ernüchterung bei der Landtagswahl
Das scheint sich bei der Landtagswahl am 28. April 1968 zu bestätigen: Die DL schneidet mit 2,8 Prozent weit unter ihren Erwartungen ab, Eberle selbst erreicht in seinem Wahlkreis Leonberg immerhin 5,8 Prozent. Das Ziel, in den Landtag einzuziehen, ist aber krachend verfehlt worden - im Gegensatz zur rechtsextremen NPD, die es mit 9,8 Prozent geschafft hat. "Wir waren damals zu spät dran!", sagte Eberle später rückblickend. "Von November '67 bis April '68 - das war eine zu kurze Zeit, um uns bekannt zu machen." Die Wahlerfolge stellten sich indes auch später nicht ein: Weder bei den Kommunalwahlen in Baden-Württemberg noch bei denen in Hessen, beide im Herbst 1968, bei denen die DL in einigen Landkreisen antrat, zum Teil in gemeinsamen Listen mit DFU und Parteilosen. Zur bundesweiten Gründung kommt es nicht mehr, 1970 löst sich die DL auf.
Der Erosionsprozess habe schon unmittelbar nach der Landtagswahl im Südwesten begonnen, erinnert sich Grohmann. "Die Leute haben die Rolle der Kommunisten in der Partei kritisch angeguckt, vor allem, wie sich die im Wahlkampf präsentiert hatten."
Die orthodoxen KPDler, die viele Posten in der DL haben, kommen in die Defensive, befürchten möglicherweise, die Dynamik in der Partei nicht mehr unter Kontrolle zu haben, wie Grohmann vermutet. Und suchen ein neues Zuhause: Im Herbst 1968 hat sich die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) gegründet. Viele aus der DL wandern dorthin ab, auch Eberles Vorstands-Stellvertreter Locherer und Laufer. Dass die DL nur eine Art Probelauf für die DKP war, kann sich Grohmann durchaus vorstellen, belegen lässt sich dies nicht. Aber es sind auf jeden Fall die Kommunisten in der der Demokratischen Linken, die 1970 deren Auflösung durchsetzen. Eberle will das verhindern, hat aber für seine Position zu wenig Stimmen.
Hätte die DL eine Chance gehabt?
Die Auflösung sei "ein schwerer Fehler" gewesen, sagt Eberle später. Aber hätte die Partei überhaupt eine Chance gehabt? "Vielleicht war es zu früh", sagt Grohmann, "aber zu früh ist ja nie!" Der Antikommunismus dieser Zeit war freilich immer ein Bremsklotz für die Linken, zugleich entstanden im Zuge der Studentenbewegung verschiedene kommunistische K-Gruppen, ob Maoisten oder Trotzkisten, die sich untereinander und auch ein Projekt wie die DL bekämpften. Die Gefahr, zwischen diesen Polen zerrieben zu werden, hätte stets bestanden.
Eberle konzentrierte sich nach dem Ende der DL 1970 wieder auf die Stuttgarter Kommunalpolitik, sein Parteifreies Bündnis (PFB) entstand. Peter Grohmann wurde in dieser Zeit sein Mitarbeiter und stand bei den Wahlen auch auf der Liste, doch Eberle sollte stets der einzige Mandatsträger seines Bündnisses im Gemeinderat bleiben. Und auch wenn seine Ein-Mann-Fraktion meist isoliert war, er nur selten mit einigen SPD-Leuten und später den Grünen zusammenging – gelangen ihm einige beachtliche Erfolge. Vieles, was in Stuttgart zur Aufarbeitung der NS-Zeit getan wurde, wäre ohne den "schwäbischen Mitterand" wohl erst später oder gar nicht geschehen (<link https: www.kontextwochenzeitung.de zeitgeschehen strohfeuer-der-erinnerung-325.html _blank external-link>Kontext berichtete). In der letzten Phase seiner Gemeinderatszeit warben auch die baden-württembergischen Grünen mehrfach um Eberle, ohne Erfolg. "Die sind mir zu bürgerlich", sagte der frühere Arbeiter nur.
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Schwa be
am 27.11.2017