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Auf der schwäbsche Eisenbahne

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Martin Rivoir ist empört! Stuttgart 21 werde, so seine damalige Prophezeiung, die lang ersehnte Elektrifizierung der Südbahn von Ulm nach Oberschwaben beschleunigen. Nachdem sich der Bund aber nach wie vor mit einer definitiven Finanzierungszusage ziert, droht der SPD-Landtagsfraktionsvize wieder in den alten Verdacht zu rücken, es sei ihm nie um was anderes gegangen, als das umstrittene Großprojekt zu befördern.

Zwischen Ulm und Lindau fehlt es an Strom an allen Ecken und Enden. Während das ehedem selbst ernannte "Unternehmen Zukunft" in Hochgeschwindigkeitstrassen denkt, verharren andere Bahnstrecken seit Jahrzehnten auf dem Stand von Lummerland. Wer im Ulmer Hauptbahnhof den ICE verlässt, um in einen Zug gen Bodensee umzusteigen, tritt gleichsam eine Reise in die Vergangenheit an, der nicht einmal Eisenbahnromantiker etwas abgewinnen können. Der Zug durch die oberschwäbischen Gemeinden wird von Dieselloks angetrieben, angesichts deren Gemächlichkeit die möglichen 160 Stundenkilometer von E-Loks schon als Quantensprung gelten, sollte der Ausbau endlich gelingen.

Das Schicksal der mehr als 260 Gleiskilometer hatte der Ulmer Landtagsabgeordnete Martin Rivoir stets mit jenen von S 21 und der Schnellbahntrasse Wendlingen–Ulm verknüpft, zumal der Ausbau der Südbahn dadurch beschleunigt würde. Im festen Vertrauen auf den Bahnchef ("Grube hat sich eindeutig committed") und den Willen der Landesregierung zweifelte er nicht an der zeitnahem Umsetzung des rund 230 Millionen Euro teuren Projekts. Im Landeshaushalt seien die Mittel für die Beteiligung bereits eingestellt, und auch der Bund habe eine mündliche Finanzierungszusage gemacht. Eine schriftliche indessen nicht ...

Mittlerweile ist Rivoirs Zuversicht ein wenig gewichen. Wie er nach einer Sitzung des Verkehrsausschusses im Landtag wissen ließ, hege er nun "große Sorge um die Realisierung der Elektrifizierung der Südbahn". Nach Informationen des Verkehrsministeriums sei der Bund erst dann bereit, eine Finanzierungsvereinbarung zu unterschreiben, wenn der Planfeststellungsbeschluss vorliege – und zwar noch 2014. Denn 2015 soll der Bundesverkehrswegeplan neu bewertet werden. Was das ungeachtet aller Bekenntnisse für das Südbahn-Projekt bedeuten könnte, ließ Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) kürzlich bei der Verkehrsministerkonferenz erkennen: Er kündigte unmissverständlich an, dass alle Projekte der Bahn, für die es Ende 2014 keine Finanzierungsvereinbarung gebe, auf den Prüfstand kämen und neu taxiert würden.

Was ganz nach dem Ende der Elektrifizierung der Südbahn aussieht, noch bevor sie begonnen hat, angesichts der Fülle an bundesweiten Projekten, denen eine größere Priorität eingeräumt wird. Flankiert von alten Vorwürfen, das Projekt Südbahn nur als Hilfsargument für S 21 vorgeschoben zu haben, ging Rivoir öffentlich erzürnt in die Verbaloffensive: "Wir müssen den Bund drängen, schnellstens die Finanzierungsvereinbarung zu unterschreiben. Im Zusammenhang mit der Volksabstimmung zu Stuttgart 21 wurde die Elektrifizierung der Südbahn vom Bund versprochen. Jegliches Abweichen von diesem Versprechen ist glatter Wortbruch."

Rivoir selbst habe sich in dieser Angelegenheit nichts vorzuwerfen: "Ich habe keine Karotte ausgelegt, sondern mein Versprechen gehalten und meine Hausaufgaben gemacht: Das Geld ist eingestellt." Er vermutet Bremsspuren eher an der Spree vorzufinden: "Auf der Arbeitsebene höre ich, dass man in Berlin überhaupt keinen Bock drauf hat." Über die Motive kann Martin Rivoir nur spekulieren: "Ich vermute, dass der europäische Zusammenhang nicht gesehen wird und für manche Oberschwaben weit weg ist." Was den Verdacht nährt, dass sich manche roten Genossen von Land und Bund nicht ganz grün sind.

Auch das kürzliche Spitzengespräch zwischen Winfried Kretschmann und Alexander Dobrindt in Berlin hat keine Rechtsverbindlichkeit bei Finanzierung und Zeitplan gebracht. Bei Stuttgart 21 war das noch anders – da erfolgte die bindende Finanzierungszusage noch vor dem Ende des Planfeststellungsverfahrens. Derweil geben die Südbahn-Elektrifizierten die Hoffnung auf einen Planfeststellungsbeschluss innerhalb diesen Jahres noch nicht auf. Vor allem, da Rivoir noch "andere Kräfte im Spiel" beim "Interessenkampf um die Verteilung der Mittel" sieht und postwendend die Bundesregierung in der Pflicht sieht: "Jetzt muss man nicht mehr reden, sondern liefern."


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7 Kommentare verfügbar

  • Floh
    am 14.06.2014
    Antworten
    Die SPD macht immer die gleichen Fehler - lernen Fehlanzeige! Da ist der Herr Martin Rivoir anscheinend ganz vorne mit dabei (aber da ist er ja nicht alleine).

    1914 konnte der 1. Weltkrieg nur begonnen werden da die SPD den Kriegskrediten zugestimmt hat. Die SPD stimmte den Kriegskrediten in der…
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