Nach drei Jahren ist die Bilanz des Parteichefs durchwachsen. Zu den Aktiva zählt der vorsichtige Versuch der Modernisierung, bis hin zum – aktuell gerade in der CDU-Landtagsfraktion heiß diskutierten – Thema sexuelle Vielfalt. "Der Konservative findet es gut", erläuterte er in einem FAZ-Interview, "wenn zwei Menschen sich dauerhaft binden und für ein ganzes Leben Verantwortung füreinander übernehmen, weil dadurch unsere Welt stabiler und sicherer wird." Da könne "es keine Rolle spielen, ob das ein Mann und eine Frau, zwei Frauen oder zwei Männer sind". Zugleich äußert er Verständnis für Andersdenkende. Die seien ja "keine Idioten", was er schon zum Selbstschutz sage, "denn ich habe selbst noch vor einigen Jahren gegen die Homo-Ehe argumentiert". Bewegen will er die über so viele Jahrzehnte erfolgsverwöhnte, traditionell eher biedere Südwest-CDU nicht zuletzt, weil Frauen sie chronisch wenig reizvoll finden.
2012 hatte Strobl erheben lassen – und zum Ärger so mancher Landesvorständler publik gemacht –, dass die Union im Land die Meinungsführerschaft in allen zentralen Themen bei Wählerinnen und Wählern eingebüßt hatte. In der Bildungspolitik steuert er die Union – behutsam und ebenfalls (noch) gegen die Mehrheit in der Fraktion – hin zum zweigliedrigen Schulsystem.
Zum Triumph für der Rechtsanwalt, der im Unterland über Parteigrenzen hinweg als "einer von uns" anerkannt ist, wurde im vergangenen Herbst der Bundestagswahlabend: Zum zweiten Mal in seiner Geschichte eroberte seine CDU sämtliche Direktmandate im Land. Obendrein analysierten die versammelten Hauptstadt-Demoskopen, der Wahlsieg sei vor allem im Südwesten geholt worden, weil die FDP in ihrem früheren Stammland rund 13 Prozent hergeben musste, die fast zur Gänze bei der Union landeten.
Die ersehnte Spitzenkandidatur 2016 fällt ihm deshalb noch lange nicht in den Schoß. "Politisch zu unsolide", nennt ihn einer, der sich seit den gemeinsamen Tagen in der Jungen Union ausdrücklich nicht zu seinen Anhängern zählt. Strobl habe "zu wenig Format, um im richtigen Moment verlässlich das Richtige zu tun". Auch deshalb vergreife er sich immer wieder im Ton. Bis heute. Baden-Württemberg werde ohne CDU-Regierung "bald pleite und von Kommunisten abhängig" sein, sah er im Wahlkampf voraus, die amtierende grün-rote Landesregierung rüffelt er regelmäßig als "ein Übel", das Land werde von Kretschmann "ins Mittelmaß hinabregiert".
Den Ruf als Mann fürs Grobe hat er sich schnell erwirtschaftet
Günther Oettinger nennt ihn – trotzdem oder deshalb – einen "Freund der ersten Stunde". 2005 hatte er Strobl zum Generalsekretär berufen, schließlich hatte der ihm geholfen im Kampf um die Nachfolge von Erwin Teufel. Nicht nur fein wurde damals gekämpft – hinter den Kulissen. Einmal, auf der Regionalkonferenz in Tuttlingen, lüftete Annette Schavan, die so gerne Ministerpräsidentin geworden wäre, den Vorhang. Oettinger-Gefolgsleute hatten ihr eine lesbische Beziehung unterstellt. Dazu fehlt ihr "Eignung, Lust und Neigung", konterte sie schneidend. Am Ende geht sie als klare Verliererin aus dem Mitgliederentscheid hervor, der den Landesverband so viele Jahre spalten wird.
Es wäre Strobls Aufgabe gewesen, die Gräben im der Südwest-CDU zuzuschütten. Stattdessen erwirtschaftete er sich schnell den Ruf, der neue "Mann fürs Grobe" zu sein mit dem so oft beschriebenen "legendären Stehvermögen bis in die frühen Morgenstunden". In der Formulierung verpackt ist ein riesiges Versäumnis: Er hätte den neuen Regierungschef, der endlich dort angekommen war, wo er immer hinwollte, abhalten müssen von einem Lebensstil, der in die Jungen Union vielleicht gerade noch gepasst hatte, nicht aber in die Villa Reitzenstein, der abfärben musste auf Amtsverständnis und Amtsausübung.
In der Krise nach der misslungenen Filbinger-Trauerrede versagt Strobl ebenfalls, verteidigt viel zu lange die Aufreger-Passagen zur NS-Vergangenheit des Ehrenvorsitzenden der baden-württembergischen CDU als notwendige Reaktion auf die Gefühle der Hinterbliebenen. "Unerschrocken und mutig" wolle er zupacken, hatte der neue Generalsekretär nach seiner Wahl versprochen. Stattdessen sah er zu, wie sich Oettinger so lange verhedderte, bis ihn die Bundeskanzlerin ins Amt des EU-Energiekommissars nach Brüssel weglobte.
Noch offensichtlicher die Überforderung beim Thema S 21
Stefan Mappus, der Schavan-Gefolgsmann, der nachfolgte, auch weil die Bundesvorsitzende sich nicht lösen konnte von der falschen Formel "Die Feinde meiner Feinde sind meine Freude", behält den Vertreter des anderen Lagers. Zur Überraschung vieler wird Strobl der Manager des Machtwechsels. Wieder beweisen sich zwei nicht in ihren Stärken. Noch vor der Wiederwahl zum Generalsekretär 2009 macht Strobl Furore mit der absurden Idee, Tag für Tag vor Unterrichtsbeginn zu prüfen, ob Kinder daheim gefrühstückt hätten "oder halb verhungert" in die Schule kämen. Im Visier hat er Familien, die von Hartz IV leben. Die CDU, sagt er, werde "dringend nach Wegen suchen, um Eltern zu sanktionieren". Der Aufschrei ist groß, der Plan bleibt liegen. Aber Strobl, seit Jahrzehnten Mitglied der "Alten Leipziger Landsmannschaft Afrania im CC zu Heidelberg" (pflichtschlagend und farbentragend), bedient wieder einmal das (Vor-)Urteil, nicht stilsicher zu sein. Dabei war die Aufregung um "Lied.Gut", jenes eingestampfte Büchlein für Mitglieder und Unterstützer, das der Generalsekretär mit verantwortete und in dem für "fröhliche Stunden" auch Wehrmachtsschlager verbreitet wurden, gerade erst ein halbes Jahr her.
2 Kommentare verfügbar
Ulrich Frank
am 02.02.2014