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Kohle für Kohle: Wie Lobbyisten und Großkoalitionäre gemeinsam profitieren

Kohle für Kohle: Wie Lobbyisten und Großkoalitionäre gemeinsam profitieren
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Beamte, die mehr als zehn Euro annehmen, gelten als bestechlich. Doch wenn Parteien, deren oberste Funktionäre die Bundesregierung stellen, Millionen kassieren, dann ist das legal. Einzige Bedingung: Größere Zuwendungen müssen veröffentlicht werden. Zwei Großspenden der Evonik Industries AG im November 2013 an SPD und CDU schmecken jedoch nicht nur nach Lobbyismus. Sie riechen auch nach strafbarer Korruption und Untreue. Denn der Essener Chemiekonzern wird ausgerechnet von führenden Genossen und Christdemokraten kontrolliert.

Eine Schachtel Pralinen vom Discounter für die schnelle Bearbeitung des Bauantrags, da drücken die Korruptionsbeauftragten in deutschen Amtsstuben beide Augen zu. Ansonsten herrschen für Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst strenge Regeln bei Geschenken. Wer mehr als zehn Euro in Bar oder Sachgeschenke über einem Wert von 20 Euro annimmt, macht sich im Prinzip schon strafbar. Mancherorts herrschen sogar noch strengere Grenzen.

Doch was gilt in der Politik? Zwar dürfen Politiker in Amt und Würden ebenfalls keine Zuwendungen annehmen. So wehrt sich Ex-Bundespräsident Christian Wulff gerade gegen den Vorwurf der Vorteilsnahme, weil er sich von einem befreundeten Filmunternehmer einladen ließ. Vor Gericht geht es um 400 Euro. Ein lächerlicher Betrag angesichts der Summen, die Parteien von Unternehmen durch Spenden einstreichen. Richtig Kasse machen so vor allem CDU, CSU, FDP und SPD — mithin jene Parteien, deren Führungspersonal auch in Bundes- und Landeskabinetten sitzt, wo die Weichen für die Zukunft des Landes gestellt werden.

Bei Parteispenden schwingt deshalb fast immer der Verdacht mit, sie seien Mittel politischer Einflussnahme. Was von Geber wie Empfänger stets bestritten wird. Zwei Großspenden im vergangenen Jahr fallen bei genauerem Hinsehen jedoch auf: 90.000 Euro an die SPD sowie 70.000 Euro an die CDU, beide von der Essener Evonik Industries AG. Gleich aus mehreren Gründen sind die Zuwendungen mehr als nur "gesellschaftliche Verantwortung eines Unternehmens", wie eine Evonik-Sprecherin auf Nachfrage von Kontext betont.

Geldeingang während laufender Koalitionsverhandlungen

Da ist zum einen der Zeitpunkt. Die Gelder gingen am 15. November 2013 bei den heutigen Berliner Regierungsparteien ein. Damals verhandelten die Großkoalitionäre unter anderem über die künftige Energiepolitik Deutschlands. Das Ergebnis der GroKo-Feilscherei fiel im Sinne des Spenders aus: statt die Energiewende hin zu erneuerbaren Energien voranzutreiben, bekräftigt der Koalitionsvertrag, dass die "konventionellen Kraftwerke (Braunkohle, Steinkohle, Gas) als Teil des nationalen Energiemixes auf absehbare Zeit unverzichtbar" sind. Aus Evonik-Sicht ein Segen. Denn zum Imperium des Konzerns gehören nicht nur Chemiewerke. Weitgehend unbekannt ist, dass die Essener mit der Steag GmbH auch den fünftgrößten Stromerzeuger Deutschlands besitzen.

Dieser wurde 1937 als Steinkohlen-Elektrizität AG zur Verstromung der Steinkohle aus dem Westen Deutschlands gegründet. Bis heute betreibt die Steag acht große Steinkohlekraftwerke und beliefert damit Stadtwerke, Stromhändler und Industriekunden sowie die Deutsche Bahn. Im März 2011 übernahm ein Stadtwerke-Konsortium aus dem Ruhrgebiet die Mehrheit (51 Prozent) an dem Stromerzeuger. Spätestens 2016 will Evonik seine Steag-Restanteile an das Konsortium verkaufen. Der Preis ist umso höher, je länger und kräftiger die Schlote der umweltschädlichen Kohlekraftwerke noch rauchen, statt schnell auf Strom aus sauberen Energiequellen umzusteigen. Zudem ist die Steag einer der führende Importeure und Vermarkter für Steinkohle mit eigenem Verschiffungspogramm.

Zwei Bundesländer und der Bund sind Evonik-Eigentümer

Dass Spender Evonik erneuerbaren Energien reserviert gegenübersteht, lässt sich auch an der Unternehmensgeschichte ablesen. Das Unternehmen mit den Geschäftsfeldern Chemie, Energie und Immobilien entstand im Frühjahr 2007 aus der Abspaltung des "Weißen Bereichs" der RAG Aktiengesellschaft, die 1969 als Ruhrkohle AG gegründet worden war. Im November 2007, gerade war das Ende des unwirtschaftlichen deutschen Steinkohlebergbaus bis Ende 2018 beschlossen worden, übertrugen die RAG-Altaktionäre E.ON, RWE, ThyssenKrupp und ArcelorMittal ihre Anteile für jeweils einen Euro auf die neugegründete RAG-Stiftung. Als alleinige Eigentümerin der RAG Aktiengesellschaft verantwortet sie den sozialverträglichen Ausstieg aus der Steinkohle an Ruhr und Saar. Die bürgerlich-rechtliche RAG-Stiftung gehört den Kohlebundesländern Nordrhein-Westfalen und Saarland sowie dem Bund, was kaum bekannt ist. Mit ihren Anteilen an der RAG (100 Prozent) und Evonik (derzeit 75 Prozent) ist der Stiftungskonzern neben der Deutschen Bahn AG das größte deutsche Unternehmen in öffentlichem Besitz.

Nach dem Aus des Steinkohlebergbaus Ende 2018 soll die Stiftung dessen Ewigkeitslasten finanzieren. Dazu wird ein Stiftungsvermögen von derzeit rund 14,3 Milliarden Euro benötigt, um aus dessen Verzinsung bis in alle Ewigkeit jährlich mehrere hunderte Millionen Euro für ein aufwendiges Grundwassermanagement in den Förderrevieren bezahlen zu können. Der gewaltige Stiftungsstock soll zunächst durch Dividendenzahlungen durch RAG und Evonik zusammenkommen, später auch durch den Verkauf der Evonik-Anteile bis auf eine Sperrminorität von 25,1 Prozent.

Derzeit beträgt das Stiftungsvermögen über zwei Milliarden Euro. Damit lässt sich auch erklären, warum die jüngsten Evonik-Spenden während der Koalitionsgespräche zur künftigen Energiepolitik flossen. Damit weiter Geld in den Stiftungstopf fließt, darf die Energiewende den Konzern nicht zu viel kosten. Tut sie bislang auch nicht: Alle verbliebenen Kohlebergwerke und Kohlekraftwerke der RAG wie auch etliche Evonik-Tochterfirmen sind als energieintensive Unternehmen von der EEG-Umlage befreit, die zur Finanzierung von Solar- und Windenergie beiträgt. Vergeblich fordern Grüne und Linke seit längerem, vor allem dem umweltschädlichen Steinkohlebergbau das milliardenschwere EEG-Befreiungsprivileg zu streichen.

Eine Million Euro bislang an Regierungsparteien überwiesen

Andererseits reduziert jede Evonik-Parteispende die Dividendenzahlung an die Eigentümerin. Dies könnte juristisch gesehen einer Untreuehandlung gleichkommen. Denn sollte die RAG-Stiftung Ende 2018 nicht genügend Kapital zusammen haben, um die Ewigkeitsaufgaben des Steinkohlebergbaus zu finanzieren, müssen die Eigentümer Nordrhein-Westfalen, Saarland und Bund den Fehlbetrag mit Steuergeldern nachschießen. Dass es dabei nicht um "Peanuts" geht, zeigt die bisherige Spendenpraxis des Konzerns. Nach Kontext-Recherchen hat Evonik auch in 2008 und 2009 Großspenden an SPD (2 x 100.000 Euro) und CDU (2 x 70.000 Euro) überwiesen. Nach eigenen Angaben spendet das Unternehmen zudem regelmäßig Beträge unter der Meldegrenze von 50.000 Euro an CSU und FDP. Alle Spenden der beiden letzten Jahre lassen sich erst exakt beziffern, wenn die Parteien ihre Rechenschaftsberichte veröffentlicht haben. Schon jetzt lässt sich feststellen, dass Evonik in seiner noch kurzen Unternehmensgeschichte bislang mehr als eine Million Euro an Regierungsparteien in Bund und Ländern überwiesen hat. Der Chemieriese gehört damit zu den spendabelsten Parteienfinanziers der deutschen Wirtschaft.

An der Spendenfreudigkeit des Evonik-Managements um den Vorstandsvorsitzenden Klaus Engel scheint sich bislang niemand zu stören. Auch der Aufsichtsrat des Unternehmens nicht, an dessen Spitze RAG-Stiftungssprecher Werner Müller steht. Vielleicht, weil das Gremium befangen ist? Denn Müller, ein ehemaliger RAG-Kohlemanager, brachte es im Laufe seiner Karriere zum Bundeswirtschaftsminister, und zwar unter SPD-Kanzler Gehard Schröder. Der stellvertretende Evonik-Aufsichtsratschef Michael Vassiliadis ist nicht nur Boss der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie und bekannt für seine Anti-Haltung zur Energiewende. Vassiliadis ist auch SPD-Parteimitglied. Genosse  Gewerkschafter trifft bei Tarifgesprächen wiederum auf Evonik-Chef Engel, der als Vizepräsident des Arbeitgeberverbands der Chemischen Industrie (VCI) fungiert. Der Verband unterstützt traditionell Konservative und Liberale. Im vergangenen Bundestagswahlkampf überwies der VCI den damaligen Regierungspartnern CDU 100.000 Euro und FDP 64.000 Euro.

Prominente Spendenempfänger kontrollieren Spendengeber

Keine Kritik dürfte auch innerhalb des dreiköpfigen RAG-Stiftungsvorstands laut werden. Zumal Vorstandsmitglied Helmut Linssen einer der durch Evonik begünstigten Parteien in herausragender Funktion angehört: als CDU-Bundesschatzmeister dürfte sich Linssen, ehemals NRW-Wirtschaftsminister, besonders über die jüngste Evonik Großspende gefreut haben. Eine Stellungnahme der Stiftung war über die Feiertage nicht zu erhalten. Auch das Stiftungskuratorium, das den Stiftungsvorstand ernennt und beaufsichtigt, ist durchweg befangen, wenn es um Parteispenden an Sozial- und Christdemokraten geht. An dessen Spitze stehen als "geborene Mitglieder" die Ministerpräsidentinnen in Düsseldorf Hannelore Kraft (SPD) und in Saarbrücken Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) sowie der Bundeswirtschaftsminister, seit kurzem der SPD-Bundesvorsitzende Sigmar Gabriel, sowie Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble von der CDU. Nur der Fünfte im Kreis der "geborenen Mitglieder" ist kein Politiker, sondern laut Satzung Gewerkschafter: SPD-Mitglied Michael Vassiliadis, Boss der IG Bergbau, Chemie, Energie und stellvertretender Evonik-Aufsichtsratschef. 

Andere öffentliche Unternehmen verzichten auf Parteispenden

Dabei sind derartige Abhängigkeiten nicht neu. So spendete bereits die Ruhrkohle AG im Februar 2006 im Vorfeld des sogenannten Energiegipfels 100.000 Euro an die SPD, und 70.000 Euro an die CDU, 50.000 Euro an die FDP und 30.000 Euro an die CSU. Wenig später beschloss die damalige Große Koalition unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) milliardenschwere Subventionen für den Steinkohlebergbau an Ruhr und Saar. Der Vorstandsvorsitzende der damals noch überwiegend zum E.ON-Konzern gehörenden RAG hieß Werner Müller.

Während etwa Volkswagen AG und Deutsche Bahn AG als Unternehmen in öffentlichem Besitz strikt auf Spenden an Parteien verzichten, überweist der Essener Chemiekonzern Evonik Industries AG seit Jahren regelmäßig größere Summen an Regierungsparteien in Bund und Ländern - und dies, obwohl führende Repräsentanten und Funktionäre der begünstigten Parteien in Aufsichts- und Eigentümergremien des Unternehmens sitzen. In Amtsstuben und privaten Unternehmen hätten pflichtbewusste Korruptionsbeauftragte angesichts derartiger Verflechtungen und Interessenkonflikten längst gehandelt. Bei Evonik Industries in Essen geht der Parteispendenskandal vorerst weiter.

Viele Großspenden im Bundestagswahljahr

Für die Parteien war 2013 offenbar ein erfolgreiches Spendenjahr. Darauf deuten Zahl und Umfang von Großspenden über 50.000 Euro hin, die die Parteien umgehend der Bundestagsverwaltung melden müssen. Demnach wurden im zurückliegenden Wahljahr rund 3,5 Millionen Euro an größeren Summen von Unternehmen und Privatpersonen überwiesen. Mit über 1,4 Millionen Euro bekam die CDU am meisten, die nicht mehr im Bundestag vertretene FDP konnte rund 830.000 Euro verbuchen. Auf den Plätzen folgen die CSU mit über 700.000 Euro und die SPD mit 432.000 Euro. Die Grünen erhielten am 20. Dezember 2013 ihre einzige Einzelgroßspende: 60.000 Euro vom Arbeitgeberverband Südwestmetall in Stuttgart. Ohne Großspende blieb in 2013 die Partei Die Linke.

Ausgabe 142, 18.12.2013

KONTEXT:Exklusiv: Zwei Großspenden an die FDP zu Weihnachten

Süßer die Parteikassen nie klingeln. Die FDP hat kurz vor Weihnachten zwei Großspenden über insgesamt 280.000 Euro erhalten. Am vergangenen Dienstag überwies die Kölner R&W Industriebeteiligungen GmbH 200.000 Euro. Am heutigen Freitag versüßte Südwestmetall der Absteigerpartei des Jahres die anstehende Bescherung: Vom Stuttgarter Verband der Metall- und Elektroindustrie erhielten die Liberalen 80.000 Euro.

<link http: www.kontextwochenzeitung.de macht-markt kontextexklusiv-zwei-grossspenden-an-die-fdp-zu-weihnachten-1942.html _blank>Gesamten Artikel lesen

Ausgabe 135, 30.10.2013

Geld. Macht. Partei.

Nach der Bundestagswahl werden CDU und CSU mit Großspenden überschwemmt. Sogar die Verliererpartei FDP kassiert kräftig. Nicht nur die BMW-Familie Quandt überweist Hunderttausende. Auch der Stuttgart-21-Tunnelbohrer Martin Herrenknecht zeigt sich öffentlich spendabel. Doch viele Schwarz-Gelb-Gönner spenden lieber anonym. Kontext nennt Namen und Beträge.

<link http: www.kontextwochenzeitung.de macht-markt geld-macht-partei-1812.html _blank>Gesamten Artikel lesen


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3 Kommentare verfügbar

  • Maria Peters
    am 07.01.2014
    Antworten
    Könnte Kontext eine Petition ins Leben rufen, die fordert, ein Gesetz zu beschließen, welches regelt, daß künftig Parteispenden grundsätzlich in EINEN Topf fließen und dann nach Wählerstimmen oder Sitzen im BT verteilt werden?
    Anders kann man der Korruption durch angebliche Spenden in diesem Lande…
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