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Verlage gegen SWR

App hat zu viel Text

Verlage gegen SWR: App hat zu viel Text
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16 Verleger klagen gegen den SWR, weil der eine App herausgebracht hat, die "presseähnlich" sei. Um das zu unterbinden, sind sie vor das Stuttgarter Landgericht gezogen – und haben am vergangenen Freitag einen Etappensieg verzeichnet.

Der Streit schwelt schon seit Jahren. Spätestens seit Tablets und Smartphones auf dem Markt sind, für die Medienanbieter aller Art Apps anbieten können, streiten privatwirtschaftliche Verlage darum, was Öffentlich-Rechtliche im Internet machen dürfen. Denn die haben mit Radio und Fernsehen von vornherein internetfähige Formate. Die Presse dagegen verkauft vor allem Text auf analogem Papier, sie darf zwar im Netz tun und lassen, was sie will (Podcasts, Video etc.), hat bisher aber keine wirklich gangbaren Möglichkeiten gefunden, an Online-Inhalten zu verdienen. Während der Öffentlich-Rechtliche (ÖR) bekanntlich gebührenfinanziert wird.

Fazit: Zeitungsverlage, also "die Presse", fühlen sich im Netz an den Rand gedrängt und beklagen, die ÖR würden in zu großem Maße in den Markt der privaten Verlage eingreifen. In einer Art mittelgelungenem Kompromiss reklamieren sie im Medienstaatsvertrag vor allem Geschriebenes für sich, also Text. Ebenfalls das "stehende Bild" im Gegensatz zum bewegten. Und darum wird mit Verve immer wieder vor Gerichten gestritten. Es geht um Marktanteile und damit um Geld.

Im aktuellen Streit vor dem Landgericht Stuttgart (Kontext berichtete) geht es um die App "Newszone", ein Angebot des Radiosenders "Das Ding", der Jugendsparte des SWR. Konzipiert ist "Newszone" für junge Leute der "Generation Z", die nicht unbedingt einen Hochschulabschluss haben und denen eine gewisse "Bildungsferne" unterstellt wird. Nachrichten, die diese Generation besonders interessieren, werden in der App hervorgehoben. Die 16 Verlage haben gegen die App geklagt, weil sie nicht nur eine neue Ausspielplattform für Inhalte von "Das Ding" sei, sondern ein ganz neues Angebot, das der SWR sich hätte genehmigen lassen müssen. Zudem sei die App "presseähnlich", enthalte also zu viel Text und stehendes Bild.

Die App ist seit April auf dem Markt und seitdem hat der SWR mehr als 200 Beiträge, die als presseähnlich eingestuft wurden, aus der App entfernt und mehrere strafbewehrte Unterlassungserklärungen abgegeben. Die App gibt es weiterhin, was den Verlegern nicht gefällt.

Das Landgericht in Stuttgart hat der Verleger-Klage nun entsprochen. Die 53. Zivilkammer ist der Meinung, dass "Newszone" allein schon deshalb ein eigenständiges Angebot ist, weil es auch noch eine gesonderte "Das Ding"-App gibt und "Newszone" durch die Hervorhebung bestimmter Beiträge "eine grundlegende thematisch-inhaltliche Änderung" des genehmigten "Das Ding"-Angebots vornehme. "Newszone" hätte also eine eigene Genehmigung gebraucht. Zudem sei die App insgesamt zu presseähnlich, zu viele Buchstaben. Damit kommt das Gericht der einstweiligen Verfügung der Verleger nach, die Verbreitung der App zu unterlassen.

Im App-Store ist die App nicht mehr zu finden. Der SWR teilte per Pressemitteilung mit, dass die Inhalte von Newszone nun unter anderem über die Plattform von Das Ding ausgespielt würden. Der Sender bedauert die Entwicklung gerade mit Blick auf die Information für die jugendliche Zielgruppe. Die Verleger aus dem Südwesten, denen bisher nicht allzuviel eingefallen ist, junge Menschen mit Information zu versorgen, freuen sich jedenfalls und sprechen von einem "Etappensieg".

Dass es Stress um die App geben würde, war dem SWR schon zum Start von "Newszone" klar. Ob da der ein oder andere dritte oder vierte Gedanke zur rechtssicheren Ausgestaltung von "Newszone" notwendig gewesen wäre – geschenkt. Auch, dass über das gebührenfinanzierte Modell und dessen Ausgestaltung generell und selbstverständlich gestritten werden darf. Und natürlich ist "Newszone" auch kein selbstloses Angebot, sondern mitunter eine Marketingmaßnahme. Aber immerhin machen die ÖR sich Gedanken darum, wie man Informationen und Recherchen an junge Leute rankriegt – siehe deren teils wirklich sehr gute Angebote auf YouTube.

Gekniffen, und das ist schade, sind vor allem die "Newszone"-Nutzer:innen. Etwa 10.000 junge Leute haben die App laut SWR auf dem Handy. Zumindest noch. Doppelt schade, sollten die auch noch tatsächlich "bildungsfern" sein. Denn das ist eine Zielgruppe, um die sich vor allem Presseverlage nicht gerade ausufernd kümmern, die für eine funktionierende demokratische Gesellschaft aber notwendig ist.


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