KONTEXT:Wochenzeitung
KONTEXT:Wochenzeitung

Wo der Online-Hammer hängt

Wo der Online-Hammer hängt
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Ein wenig anders sieht sie heute aus, die Kontext:Wochenzeitung. Und das ist alles andere als Zufall. Zum zweiten Geburtstag haben wir uns einen kleinen Anglizismus mit großer Wirkung gegönnt: einen Relaunch.

Neustart heißt das, beschreibt die neuere Version eines bereits bestehenden Produktes und wird laut Wikipedia im Allgemeinen genutzt, um "den abschwächenden Absatz im Reifestadium des Produkt-Lebenszyklus zu stabilisieren (Erholung vom Rückgang) oder einem solchen vorzubeugen". Damit aber hat die Sache in unserem Fall nichts zu tun. Denn Kontext wächst und gedeiht und es war schlicht an der Zeit, unser schwächelndes Redaktionssystem an diese Entwicklung anzupassen, der ständigen Serverüberlastung und den sich selbst auflösenden Ausgaben ein Ende zu setzen.

Und weil wir das allein nicht konnten, nicht wussten, wie man so ein System schraubt und den stotternden Motor eines Programms so tunt, dass er die kommenden Jahre auf den Datenautobahnen der Welt durchhält, haben wir uns zwei Profis an Bord geholt:

Andreas Mayer, zum einen, der "schon vom Sternzeichen her" Diplom-Kommunikationsdesigner ist, betreibt seit zehn Jahren ein eigenes Büro in Stuttgart und ist nach eigener Aussage "in der glücklichen Lage, noch nie an ein langweiliges Projekt geraten zu sein". Er ist für die neue Optik verantwortlich und hat sämtlichen Papiertigern der Redaktion beigebracht, warum online eben nicht alles aussehen muss, soll und darf wie in einer Zeitung. Zum anderen Thomas Schwuchow, der den technischen Part übernahm und analog wohl vom Sternbild Programmier- und Projektsteuerungs-Steinbock wäre. Auch er ist seit zehn Jahren in Stuttgart selbstständig im Bereich Beratung, Konzeption und Umsetzung von Internet-Projekten. Er hat uns den Motor geschraubt und fit gemacht für die Generation Tablet und Smartphone.

In diesem Text werden Ihnen einige Wörter begegnen, die ansonsten eher nicht in der Kontext-Wochenzeitung auftauchen. Content zum Beispiel. Inhalt soll das heißen. Online zugänglicher Inhalt im Falle einer Internetzeitung und oft geschmäht als Wichtigtuer-Wort, mit dem Verlags- und Werbemenschen in erster Linie eine journalistische Umgebung für Werbebanner schaffen wollen. Sascha Lobo hat mal getwittert: "Inhalte nennt man in Deutschland immer dann 'Content', wenn jemand damit Geld verdienen will."

Unsere Absicht ist genau das nicht. Wir sind froh, dank der Spenden unserer Soli-Abonnenten und Vereinsmitglieder halbwegs gesichert überleben zu können. Und lesenswerten Content liefern zu können. Jene Texte und Bilder aber, die die Kontext:Wochenzeitung ausmachen, müssen auf dem Weg zum Leser in Boxen gepresst, formatiert, bearbeitet und veröffentlicht werden. Jeden Dienstag sitzt ein kleines Team aus drei SystemschrauberInnen in den Redaktionsräumen in der Hauptstätter Straße und bastelt dort die neue Ausgabe zusammen – mithilfe eines sogenannten Content-Management-Systems. Dass diese Schrauberei im Hintergrund nun leichter geht und das Ergebnis auf Ihrem Bildschirm noch dazu besser aussieht, ist Andreas Mayer und Thomas Schwuchow zu verdanken.

Wunderbare neue Archivwelt

Die beiden haben in monatelanger Arbeit unsere neue Seite entworfen, entwickelt und programmiert. Ganz oben in der Navigation versteckt sich nun eine Funktion, die in der Zeitungslandschaft einmalig sein dürfte. "Ältere Ausgaben" heißt sie, dahinter verbergen sich die Kontext-Ausgaben der vergangenen Monate und Jahre, fein säuberlich sortiert nach Ausgabe und Datum – ein digitaler Zeitschriftenstapel, in dem gestöbert und geklickt, chronologisch nachgelesen und thematisch gesucht werden kann. Ein bisschen wie früher, als sich die Zeitschriften der vergangenen Jahre noch im Regal stapelten. Und doch ein zeitgemäßes Archiv und "eine coole Brücke zwischen Print- und Onlineverständnis", sagt Andreas Mayer. Archiv wollten die beiden die neue Funktion nicht nennen. Zu verstaubt, fand Thomas Schwuchow, die neue Funktion dagegen, sinniert der 43-Jährige, "verleiht der Gegenwart mehrere Dimensionen". Allerdings: Zwei Jahre, also mehr als hundert bereits erschienene Kontext-Ausgaben rückwirkend so aufzuarbeiten, das haben wir bis zum Relaunch-Termin nicht geschafft. Es steht aber, Ausgabe für Ausgabe, auf unserer To-do-Liste.

Ziemlich frisch sieht die neue Homepage auch knapp unter der Timeline- und Suchfunktion aus: Dort finden sich Informationen zu Verein, Bildung und Veranstaltungen. Zu allem also, was Kontext neben der Zeitung sonst noch zu bieten hat. In dieser Leiste findet sich auch der Kontext:Blog-Button. Letzterer allerdings läuft noch ins Leere. In vielen Redaktionssitzungen haben wir uns Gedanken darüber gemacht, wie die Zeitung und ihre Leser direkter, schneller und besser in Kontakt kommen können. Dabei wurde die Idee eines Blogs geboren, die Umsetzung allerdings wird noch ein wenig auf sich warten lassen. Schließlich wollen wir auch dort Information liefern, die diesen Namen verdient. Grandios einfacher als bisher ist dagegen die Kommentar-Funktion zu den Artikeln. Anonym oder namentlich, wer seine Meinung zu einem Thema mitteilen möchte, schreibt nun in die Kommentar-Box, klickt auf Senden und wird überrascht feststellen: Es funktioniert.

Mehr Platz für Fotos, Videos und Karikaturen

Von der Denkbühne bis über den Kesselrand hinaus sind unsere Rubriken nach langer Diskussion nun doch erhalten geblieben. Zusammen mit dem lieb gewonnenen Eselsohr, das sich nun auch auf den Titelseiten-Fotos wiederfindet, sollen sie die Zuordnung und Navigation auf der Seite übersichtlicher machen. Mit einer Rubrik allerdings haben sich unsere Systementwickler besonders befasst: Die Schaubühne mit ihren Fotos, Videos und Illustrationen findet sich nun gleich zweimal auf der Seite – oben in der Menüleiste und unten als Seitenabschluss, der zum Stöbern und Betrachten einlädt. Die Bilder und Illustrationen unserer Fotografen und Karikaturisten sind einen zweiten Blick allemal wert.

Überhaupt, die Optik. Für diesen Part war Andreas Mayer zuständig. "Shiny-shiny war auf der alten Seite ja nichts", sagt der 38-Jährige und guckt streng über die schwarze Brille. "Das waren ja eher die Hard Facts." Womit er recht hat. An die gute alte Zeitung sollte sie erinnern, an die Papierzeit, die sich, wenn man den Prognosen glaubt, nun langsam ihrem Ende zuneigt.

Antworten auf die Fragen der digitalen Ära haben die Verlage gleichwohl noch nicht gefunden. Wie im weltweiten Datennetz Geld zu verdienen wäre, wird ähnlich heiß diskutiert wie einst die Herstellung des Steins der Weisen. Es gebe da aber einen Zusammenhang zwischen Produkt und Bezahlfreude, finden unsere Systemzauberer. "Die Verlage werden immer schlechter", wettert Andreas Mayer. Er schimpft über zu viel Werbung auf den Zeitungs-Homepages und fehlende Micropayment-Systeme, mit deren Hilfe der ein oder andere Leser vielleicht bereit wäre, für einen Artikel auch einen Obolus zu entrichten. Alles viel zu kompliziert, sagt Mayer. Außerdem: "Die Leute zahlen für recherchierte Geschichten und nicht für dpa-Meldungen." Fast alle Online-Ausgaben etablierter Zeitungen seien doch "Mist", assistiert Thomas Schwuchow. "Überladen mit Anzeigen, Bannern und schlechter Information." Eine gut strukturierte Seite, bei der die Information im Vordergrund steht, dafür werde auch bezahlt, da sind die beiden sich einig.

Dass Kontext anzeigenfrei ist und bleibt, finden die beiden klasse. Und haben die Seitenstruktur "so simpel wie möglich gehalten", sagt Thomas Schwuchow. Dass nicht überall noch eine Zusatzfunktion aufleuchtet, die Seite ziemlich aufgeräumt wirkt, ist den beiden zu verdanken. In endlosen Diskussionen vermittelten sie print-geprägten Redakteuren, wo der Online-Hammer hängt: Weniger ist mehr, sagen die beiden. Und das, obwohl "jeder Redakteur bei euch so seine Herzblutgeschichten hat – vom Paypal-Button bis zum Kommentar". Aber eine Headline, zwei Zeilen Text und 25 Spendenbuttons: "Das macht keinen Sinn." Daher haben die beiden es bei einer schlichten Bitte, Kontext zu fördern, belassen – ebenso diskret wie für Kontext lebensnotwendig, finden Sie sie am linken Seitenrand.

Alles neu, alles anders, alles besser war das Ziel, und unsere beiden Systemzauberer haben das gründlich erledigt. Freitag vergangener Woche saßen die beiden nach diversen Nachtschichten ein bisschen verknautscht in der Kontext-Redaktion, tranken Espresso und befanden großmütig: "So schlimm war's doch gar nicht mit euch." Trotz gefühlter zwei Millionen Änderungswünsche in letzter Minute.

Wir sagen: Danke für alles!

 


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4 Kommentare verfügbar

  • leoloewe
    am 18.05.2013
    Antworten
    Archiv-Relaunch?

    Ich finde auch, dass nicht alles besser geworden ist durch den Relaunch zum "Zweiten" der Kontext:Wochenzeitung.

    _ Das Layout muss sich nicht so sehr in den Vordergrund spielen. Das alte schlichte Konzept hat meiner Meinung nach besser zu "uns" gepasst.

    _ Was ich aber ganz…
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