... der Initiator der Online-Petition ...
... sagt, Jesus hat sich nicht positiv über Homosexuelle geäußert und deshalb habe er Homosexualität abgelehnt, dann muss ich sagen: Das ist mir alles zu holzschnittartig.
Da laufen Sie doch vor der Realität davon. Weder im Vatikan noch in der evangelischen Kirche findet ein offener, liberaler Umgang mit Lesben und Schwulen statt.
Ich laufe vor gar nichts davon, vor allem nicht vor einer Gesellschaft, von der ich immer noch glaube, dass ein vorurteilsfreier, offener Umgang der Menschen miteinander wichtig für die politische Kultur ist. Ich maße mir auch nicht an, der Kirche Ratschläge zu geben, wie sie mit bestimmten Themen umzugehen hat. Ich mache aber deutlich, dass wir an unseren Schulen ein Klima schaffen müssen, in dem etwa Homosexualität, die offensichtlich immer noch nicht als normal betrachtet wird, endlich als Lebenswirklichkeit anerkannt wird. Wir wollen keine Veränderung der Sexualmoral herbeiführen, wie von denjenigenen immer behauptet wird, die sexuelle Vielfalt als Ausübung von Sexualpraktiken verstehen. Das ist Quatsch. Uns geht es um die vielfältigen Lebensformen in der Gesellschaft, nicht um Sexmoral.
Sie nennen es Quatsch. Befallen Sie denn manchmal Zweifel, ob wir in einer aufgeklärten Gesellschaft leben?
Ich will meine Meinung über einzelne Menschen nicht auf die gesamte Gesellschaft übertragen. Dass da eine Breitenwirkung erzielt wurde, bedarf einer Analyse. Aber ich habe mitgekriegt, wie diese 192 000 Unterschriften oder besser gesagt Klicks zustande gekommen sind. Ich kenne kirchliche Vereinigungen, die für die Petition geworben haben mit dem Hinweis, hier könne man sich aktiv für den Wert von Ehe und Familie einsetzen.
Auch der rechtspopulistische Blog Politically Incorrect (PI) gehörte zu den Petitionswerbern.
Auf dieser Homepage versammelt sich eine unselige Melange aus Ressentiments und chauvinistischen Gedanken. Daraus lässt sich schließen, dass da einige aus dem nicht eben aufgeklärten und liberalen Milieu dieser Gesellschaft unterwegs sind und politisch eigenartige Gedanken verfolgen.
Hat Sie das wirklich überrascht? Wo waren denn Ihre Warnleuchten, als Sie den Bildungsplan formuliert haben? Ihr politisches Gespür, dass in diesem Begriff Verhetzungspotenzial liegt?
Es ging hier erst einmal um ein Arbeitspapier. Wir sind zwar sicherlich nicht schuldlos, was die Frage angeht, ob hier nicht ein Missverständnis begünstigt wurde. Die Warnleuchten, und das weiß man im Nachhinein immer besser, haben nicht hell genug geleuchtet, als es um die Häufigkeit des Begriffs sexuelle Vielfalt ging. Aber ist es auch unbedingt notwendig, bei einem Schritt eines internen Arbeitsprozesses Warnlampen leuchten zu lassen? Letztlich zahlen wir an dieser Stelle den Preis für Transparenz, dafür, dass wir einen Beirat hatten und mit verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen, übrigens auch den Oppositionsparteien, diskutiert haben.
Was heißt interner Arbeitsprozess – in Wirklichkeit ist es doch so, dass das Papier auf den Tisch kam, ausdifferenziert bis hin zu einzelnen Fächern. Und es gab Leute, wie die GEW-Vorsitzende Doro Moritz, die gewarnt haben vor dem Verhetzungspotenzial.
Die "Warnhinweise" kamen alle mehrere Woche später, als die Online-Petition schon am Start war. In der Beiratssitzung im November vergangenen Jahres wurde über die Systematik der Leitprinzipien diskutiert, nicht über den Aspekt sexuelle Vielfalt, auch nicht von den Kirchen, auch nicht von den Oppositionsparteien. Die GEW vor allem wollte das Thema als eigenes Leitprinzip verankern. Wenn sie jetzt gute Ratschläge erteilt, dann nervt das doch etwas.
Noch so eine überspannte Debatte, die derzeit von Baden-Württemberg aus geführt wird, angestoßen von der Stuttgarter Schriftstellerin Sibylle Lewitscharoff: Onanie gehört verboten, künstliche Befruchtung erzeugt Halbwesen. Fragen Sie sich manchmal: Was ist eigentlich los in diesem Land?
Natürlich frage ich mich, was die Ursache ist für ein solches gesellschaftliches Klima. Doch die Tatsache, dass hier in Stuttgart mal 600 Leute demonstriert haben, ist für mich noch kein Beleg dafür, dass Baden-Württemberg kein weltoffenes Land wäre. Und wenn eine Schriftstellerin eine Äußerung tätigt, die aus meiner Sicht unsinnig ist, dann reicht das für mich auch nicht, um einen gesellschaftlichen Rollback zu beklagen. Diese Stammtischdebatten hatten wir schon immer. So läuft es immer, wenn für komplexe Vorgänge einfache Erklärungsmuster gesucht werden. Außerdem ist die Aussage von Frau Lewitscharoff nicht eben ein Ausbund an intellektueller Feinsinnigkeit.
51 Kommentare verfügbar
Josef
am 02.04.2014Ich bin in dieser Hinsicht Ihrer Meinung, dass man die Menschen lieben soll, aber man muss auch klar differenzieren, was Sünde ist. Denn die Bibel äußert sich dazu klar und deutlich. Und für mich ist Homosexualität Sünde, weil die ganze Bibel für mich Gottes Wort ist. Aber das heißt nicht,…