Spieglein, Spieglein an der Wand ... Die gute Nachricht zuerst: Trotz des Hypes auf vielen Kanälen, in Print und Online, sogar im europäischen Ausland, haben bisher gerade mal 0,75 Prozent der 7,8 Millionen Wahlberechtigten im Land die Petition des Calwer Realschullehrers Gabriel Stängle unterschrieben. Bei Redaktionsschluss am vergangenen Dienstag (14. 1., 18 Uhr) waren es 58 489 Petitenten aus dem Land.
Ginge es nach ihm und seinen Mitstreitern, dürften die Erziehung zum Respekt vor dem Anderssein kein Platz finden im Klassenzimmer. Zwei Landkarten von openPetition – jener Plattform, die Veränderungsprozesse in Gang bringen will, "wo die repräsentative Demokratie zu langsam ist" – markieren in Baden-Württemberg und in ganz Deutschland die Hochburgen der Stängle-Sympathisanten: Korntal-Münchingen, bekanntlich ein Zentrum des Pietismus, aber auch Weinstadt im Remstal, Filderstadt, Ostfildern, Altensteig und das nordrhein-westfälische Espelkamp, in dem Mennoniten besonders aktiv sind.
Der Kampf der vergleichsweise wenigen ist dennoch von Bedeutung, weil es um Liberalität und Pluralität geht, um Aufklärung und Moderne, weil die Reform bis weit ins nächste Jahrzehnt hinein entwickeln und prägen wird. Präambelgleich schweben nach den Plänen der Landesregierung über allem die neuen Leitprinzipien, etwa die Bildung zur Nachhaltigkeit. Dazu will Grün-Rot einen Schritt vollziehen, den andere Länder schon früher gegangen sind. NRW hat die Akzeptanz der sexuellen Vielfalt im Jahr 1999 offensiv im Unterricht verankert. Längst gibt es ein Netzwerk von "Schulen mit Courage" und "Schulen ohne Homophobie".
Bereits in ihrem Koalitionsvertrag von 2011 hatten Grüne und Sozialdemokraten versprochen, Baden-Württemberg "durch die Gleichstellung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgendern ein neues, tolerantes Gesicht" zu geben. Aufklärung und Sensibilisierung seien entscheidend, "um zu Verständnis und gegenseitiger Wertschätzung zu gelangen". Der Ankündigung folgten Taten: die Gleichstellung im öffentlichen Dienst, die Öffnung der Standesämter für einschlägige Eheschließungen, die Schwarz-Gelb in Baden-Württemberg als letztem Bundesland verweigert hatte. Und seit einem Jahr sitzen mehr als 300 Fachleute, begleitet von einem Beirat mit Vertreterinnen und Vertretern aus Wissenschaft, Wirtschaft, Gesellschaft und Politik, an den Neuerungen. "Wenn Äußerungen wie 'schwule Sau' zu den beliebtesten Schimpfwörtern auf den Schulhöfen gehören, dann besteht Handlungsbedarf", sagt Ministerpräsident Winfried Kretschmann.
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Rolf Steiner
am 25.01.2014