Seit 25 Jahren gibt es in Stuttgart die Akademie Schloss Solitude, das größte Stipendiatenhaus Europas. Und seit 25 Jahren das Zentrum für Kunst und Medientechnologie (ZKM) in Karlsruhe, untergebracht im 100 Jahre alten Bau der seinerzeit größten Waffen- und Munitionsfabrik Europas: mit zwei Museen und einer Reihe von Instituten die wohl größte Kunstinstitution des Landes. Beide hätten auch schon im Vorjahr feiern können, je nachdem, wovon man ausgeht: vom Gründungsbeschluss oder von der Inbetriebnahme. Das wäre völlig gleichgültig, fiele der Zeitpunkt nicht mit dem folgenschwersten Einschnitt der jüngeren Weltgeschichte zusammen: dem Umbruch von einer bipolaren zu einer multipolaren Weltordnung.
Sinnfälliger wird dies im Fall einer anderen, ebenfalls 1989 gegründeten Kunstinstitution in Berlin: Die Kongresshalle, 1956 auf Initiative der amerikanischen Außenministerin Eleanor Dulles gen Ostberlin weisend als "Leuchtfeuer der Freiheit" erbaut, wird nach Einsturz durch Materialermüdung und Wiedererrichtung zum Haus der Kulturen der Welt (HKW). Ein besonderer Fokus galt anfangs China und Südafrika: Die Ausstellung "China Avantgarde!" 1993 ging zurück auf eine gleichnamige Ausstellung 1989 in Peking. Nach der Niederschlagung des Aufstands auf dem Tian'anmen-Platz war es dort allerdings mit der künstlerischen Freiheit vorbei.
1996 feierte das HKW das Ende der Apartheid mit der großen Ausstellung "Colours". Seit dem Aufstand von Soweto war die Kunst im Apartheidstaat durch die Bank politisch, wie sich in Sue Williamsons 1989 in New York erschienenem Buch "Resistance Art in South Africa" nachlesen lässt. William Kentridge zum Beispiel, heute im weltweiten Ranking unter den zwanzig bekanntesten Künstlern, hat seine charakteristischen Kohlezeichnungen ursprünglich als Bühnenhintergründe für die Handspring Puppet Company entwickelt, eines der Zentren der oppositionellen Kulturproduktion im Apartheidstaat.
Radikale chinesische Kunst in Stuttgart
Genau dieselben globalen Entwicklungen zeigten sich zur selben Zeit aber auch in Stuttgart. Huang Yong Ping, einer der radikalsten chinesischen Künstler, war nach den Ereignissen auf dem Platz des himmlischen Friedens in Europa geblieben. 1992/93, also im Vorfeld der Berliner Ausstellung, war er Stipendiat der Solitude-Akademie. Weithin bekannt wurde er, als er Bücher zur chinesischen und europäischen Kunstgeschichte in die Waschmaschine steckte.
2001 war Huang erstmals wieder nach China eingeladen. Doch sein mit 50 000 Euro dotiertes Projekt wurde sogleich wieder gecancelt. Huang hatte ein kurz zuvor mit einem chinesischen Abfangjäger kollidiertes amerikanisches Spionageflugzeug im Maßstab eins zu eins nachbauen wollen. Bevor die Chinesen die Überreste an die USA zurückgaben, nahmen sie sie genau unter die Lupe. Die chinesischen Behörden sagten ab, allerdings weil auf Druck der USA Frankreich intervenierte, dessen Staatsbürger Huang inzwischen war.
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