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Fußball-EM und Tour de France

Hunger Games

Fußball-EM und Tour de France: Hunger Games
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Etliche Großereignisse halten die Welt des Sports derzeit in Atem. Fußball-Europameisterschaft, Tour de France, vom Tennis und Tokio gar nicht erst anzufangen. Und dann ist auch noch Mitgliederversammlung beim VfB Stuttgart.

Jens Voigt hat 17 Mal als Fahrer und sieben Mal als TV-Kommentator an der Tour de France teilgenommen, es gibt wenige, die dieses wichtigste und größte Radrennen der Welt besser kennen. Die erste Woche der aktuellen Tour war, wie Voigt auf "Eurosport" sagte, die härteste, die er je erlebt hat. Wetter, Streckenprofil, Stürze – was die Fahrer aushalten müssen, ist in der Tat eisenhart. Und wenn man sonntags auf der Couch liegt, zwischen Käffchen und Weinchen und Snacks die Etappe nach Tignes schaut, und wenn dann wieder mal ganz plötzlich groß und gelb das Wort "Abandon" und der Name eines Fahrers eingeblendet wird, dann hat man fast so ein bisschen das "Panem-Gefühl", kommt sich vor wie im ersten Teil der Hunger Games, wenn ein Tribut nach dem anderen in der Arena fällt. Und vielleicht hat es ja auch mit diesem unmenschlichen Rennverlauf zu tun, dass man überhaupt nichts mehr mitbekommt von den Dopingkontrollen bei der Großen Schleife.

Was war das noch für eine wilde Kontrolliererei vor wenigen Jahren, kaum eine Nacht ohne überfallartige Dopingtests im Teamhotel mitten in der Nacht, Sondereinsatzkommando nix dagegen. Selbst die Frauen der Fahrer wurden nicht verschont, sondern mit Koffern voller Medikamente an allen möglichen europäischen Flughäfen und Grenzübergängen verhaftet. Heute hört man nur noch, dass das gelbe Trikot nach Siegerehrung und Pressekonferenz zum Dopingtest muss, während die anderen Fahrer längst unter der warmen Dusche stehen. Gelbes Trikot also quasi Nachteil, weil Verkühlung droht und weniger Erholung. Die Franzosen scheint das Thema nicht mehr zu interessieren, unsere deutschen Dopingjäger haben grade andere Ziele – und die Fahrer selbst scheinen eben auch nicht mehr kofferweise Eigenblut und Epo mit sich rumzuschleppen, sondern haben zwischenzeitlich auf andere, noch effizientere Techniken der Leistungssteigerung umgesattelt. Sinnvoll, zumal vor dem Hintergrund, dass sie heuer den Mont Ventoux, diesen Giganten der Provence gleich zweimal rauf- und runterfahren müssen. 

Düstere Zeiten für Giganten

Giganten. Praktische Überleitung zur Fußball-Europameisterschaft, dieser zur Virenschleuder verkommenen Geldbeschaffungsmaschine europäischer Verbandsintriganten, aus der wir, also die Deutschen, längst ausgeschieden sind, Giganten nur noch beim Blick zurück in glorreichere Vergangenheiten. So weit konnte es kommen, weil es eben manchmal so weit kommt. Auch andere so genannte Giganten des Weltfußballs haben ja bekanntlich dunkle Zeiten durchlaufen müssen, Spanier, Italiener, selbst Niederländer und Briten, insofern diese überhaupt Giganten des Weltfußballs genannt werden können, weil gewonnen haben die ja nun noch kaum was. Bei uns aber jetzt trotzdem eklatant, dass der Bundestrainer mehr als drei Jahre lang quasi nur Bockmist produzieren darf, ohne dass nennenswert eingegriffen wird.

Natürlich darf man sich nicht der im Fußball grassierenden Schnelllebigkeit hingeben, muss den Leuten auch mal Zeit geben und so weiter. Aber was Joachim Löw und mit ihm Oliver Bierhoff hier, fürstlich entlohnt, trotz durchaus wettbewerbsfähigem Spielermaterials seit 2017/2018 geleistet beziehungsweise eben nicht geleistet haben, das ist schon hart. Das ist, außer in der Politik, sonst eigentlich undenkbar, und man wundert sich, wie ungestreift die beiden Herren da jetzt wegkommen. Bierhoff obendrein weiterhin am Start, die Fäden ziehend. Seinen Bundestrainer hat er alleine im Regen stehen lassen nach dem Ausscheiden, da war nix von ihm zu sehen. Was will, was soll man überhaupt noch erwarten von einem Verband wie dem DFB? Vielleicht, dass der Hansi es jetzt sportlich richtet, die Mannschaft wieder zu einer Gewinnermaschine macht, auf dass wir rasch wieder Schwarz-Rot-Geil sind und den ganzen schlimmen Rest einfach ignorieren? Dass der Deutsche Fußball Bund, der größte Sportverband der Welt, die Zeichen der Zeit erkannt hat und zu ernsthafter personeller und inhaltlicher Erneuerung fähig sein könnte, das wird ja nun niemand ernsthaft annehmen wollen, auch wenn man die Hoffnung auf baldigen Abtritt unguter Strippenzieher wie dem aktuellen Interimspräsidenten Rainer Koch und seiner Camarilla niemals aufgeben darf.

Steigers Programm: Fettnäpfchen

Genau andersrum sieht es beim VfB Stuttgart aus, dem größten Sportverein Baden-Württembergs. Hier ist ein Großteil der unguten Strippenzieher bereits Vergangenheit, der von Wilfried "Palpatine" Porth angeführte jämmerliche Rest wird hoffentlich bald folgen. Und auch die Episode Pierre-Enric Steiger wird nur eine kurze sein. Dieser offenbar von einigen Gestalten aus dem VfB-Freundeskreis an den Start gebrachte Kandidat will sich zwar auf der am 18. Juli stattfindenden Mitgliederversammlung des VfB Stuttgart zum Vereinspräsidenten wählen lassen – warum man ihn aber wirklich wählen soll, bleibt völlig unklar, denn das Programm des Kandidaten Steiger besteht eigentlich nur aus Fettnäpfen. Für den Hubschrauber-Christen Steiger sind nur echte Glaubensbrüder zu wirklicher Nächstenliebe fähig, Frauen fehlt das Selbstbewusstsein, kaum ein Auftritt geht über die Bühne, ohne dass der Kandidat sich hinterher schwurbelig dafür entschuldigen muss und dabei alles noch schlimmer macht. Manch einer ist ja ohnehin der Meinung, Herr Steiger wäre als Vorstand beim CVJM besser aufgehoben – weil er das M für eine Abkürzung von Männer hält.

Bis zum Wahltag am 18. Juli wird Steiger wohl noch hier und da mit schneidig wirkenden Parolen zitiert werden – vor allem im Zentralorgan der Niedertracht, dem Boulevardmedium mit den vier großen Buchstaben, dessen ehemaliger Chefredakteur Béla Anda heute für gutes Geld den externen Kommunikator der immer noch mit dem Status der Gemeinnützigkeit versehenen Björn Steiger Stiftung gibt. An anderer Stelle wird seine Methode allerdings kaum verfangen. Denn dass beim VfB Stuttgart wegen des amtierenden Präsidenten Claus Vogt überall große Unzufriedenheit herrscht, das glaubt außer Steiger selbst nur der jämmerliche Rest jener weiter oben genannten Gestalten, die schon bald der Vergangenheit angehören werden. Außer irgendwer findet heraus, dass Vogt irgendwann irgendwas abgeschrieben hat.


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