KONTEXT:Wochenzeitung
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Es brennt

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Ausgerechnet am 1. Mai, schrieb "Bild", entging die Hansestadt Hamburg einer riesigen Katastrophe. Das klingt so, als wäre der 2. Mai passender gewesen. Feuer im Hafen auf dem Atomfrachter Atlantic Cartier – und gleich neben dem Kirchentag. Es muss gewaltig Gefahr im Verzug gewesen sein, denn die Innenbehörde hatte, wie zu hören ist, sicherheitshalber auch die Bundeswehr wegen eines Katastropheneinsatzes konsultiert.

Gott war in Hamburg – das Großaufgebot der eigenen Wehr konnte den Brand zu löschen. Zur Beruhigung der Gläubigen aller Art hieß es erst, die Ladung hätte aus Autos und Gefahrstoffen bestanden. Nun enthüllt eine grüne Anfrage, dass auf dem Schiffle insgesamt 20 Tonnen radioaktiver Stoffe waren, zudem neun Tonnen des besonders gefährlichen Uranhexafluorids. Außerdem war auch Munition an Bord.

Eine passende Mischung für Katastrophen. Die bliebt aus, ebenso das Medienecho: Nix zu lesen von Pier 13. Gut gemacht. Darauf einen Tusch.

Der zweite Tusch gilt der Bundeswehr – besser unserem Ober-Vertuscher de Maiziére. Der ungläubige Thomas hat wohl monatelang den Bundesrechnungshof veräppelt und das Parlament an der Nase herumgeführt, und nun verfolgen die 16 Drohnen (unbemannt) den deutschen Verteidigungsminister bis in seine schlimmsten Träume. Von Debakel sprechen die einen, von Desaster die anderen, von einen desaströsen Deal die Dritten. Kontext-Leserinnen kennen die Hintergründe, weshalb hier nicht erwähnt werden muss, dass die Zukunft der deutschen Luftverteidigung eine Luftnummer ist, die nicht am Völkerrecht, sondern lediglich am Tüv scheiterte. Gut gemacht!

Der letzte Tusch gilt der 150 Jahre alten SPD, speziell der im Südwesten, die von Kretschmann in die 19-Prozent-Ecke gestellt wurde. Vor knapp hundert Jahren kamen die Linken etwa im roten Gaisburg auf unanständige 66,8 Prozent – und nun das! Also vorwärts zurück nach damals? Soziales und Tempolimit ins Programm? Kann kaum klappen. Harzt-Vierer gehen je weniger zur Wahl, je mehr sie in der Misere stecken. Und ins Waldheim Gaisburg, wo das Bier preiswerter ist als im Raichberger Haus, gehen sie auch nicht – abgesehen davon würden sie dort eher links überholt.

Aber vielleicht ist die 3. Klasse am 1. Juni in Frankfurt dabei. Da gilt's, die Händler aus den Tempeln zu vertreiben: Reichtum besteuern, Diäten kleinhalten, her mit der Transaktionssteuer und noch viel mehr Demokratie. Seinerzeit fuhr Udo Lindenbergs Sonderzug nach Pankow. 30 Jahre später fährt der süddeutsche Sonderzug nach Blockupy, mit Musik, Bierbar, Musik und Literatur, vorn dran die historische E-Lok E 94, Geschwindkeit: 70 km/h. So viel Zeit muss sein in diesen Zeiten. Tusch.

Peter Grohmann ist Kabarettist und Gründer des Bürgerprojekts Die Anstifter.


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1 Kommentar verfügbar

  • David
    am 22.05.2013
    Antworten
    Lieber Peter Grohmann,

    letzte Woche habe ich mich noch über Ihr "Wettern" gefreut. Heute weiß ich mal wieder nicht, was Sie mir eigentlich sagen wollen. Vielleicht bin ich ja zu blöde, aber ich sehe keinen Zusammenhang zwischen dem Unfall im Hamburger Hafen, dem Drohnendesaster und dem Zustand…
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