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Zum Tod von Winfried Wolf

Herz und Hirn

Zum Tod von Winfried Wolf: Herz und Hirn
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Sein Engagement für eine bessere Welt hat viele beeindruckt – auch wenn sie politisch anderer Meinung waren, wie etwa sein Cousin Guido Wolf. Worte zum Tod von "Winnie" Wolf.

"Radikaler Wahrheitssucher"

Volker Lösch, Theaterregisseur

Winnies Tod ist ein besonders schmerzhafter Verlust. Mit seinem außergewöhnlich umfangreichen politischen Sachverstand hat er unfassbar viele kluge und kritische Essays, Artikel, Reden, Blogs und Bücher verfasst. Er war die emotionale und intellektuelle Kraftzentrale des Widerstands gegen das Stadt- und Umweltzerstörungs-Projekt S 21. Winnie war ein Meister der Verknüpfung von Themen und radikaler Wahrheitssucher. Seine politisch linke Perspektive auf die Welt war immer wohltuend unideologisch und radikal human. Am meisten wird er mir aber als ein Freund fehlen, der warmherzig, zugewandt, sozial und humorvoll war. Der sein Leben lang dafür gestritten hat, dass es anderen besser geht. Winnie war im besten Sinne Herz und Hirn, Praxis und Theorie in einem. Mir ist im Augenblick nicht vorstellbar, wie es ohne ihn weitergehen soll.

"Großzügig sein Wissen geteilt"

Sabine Leidig, Verkehrspolitikerin der Linken, MdB von 2009 bis 2021

Meine enge Zusammenarbeit mit Winnie begann 2005 mit der Attac-Kampagne gegen den geplanten Börsengang der Deutschen Bahn und dem Bündnis "Bahn für alle". Ohne ihn hätte ich mich nicht an Verkehrspolitik im Bundestag gewagt. Winnie hat großzügig seinen riesigen Wissens- und Erfahrungsschatz geteilt – im Schreiben, Reden und Tun. Danke dafür! Er war streitbar und verletzlich, unbeirrt und nahbar, als Zugpferd konnte er Druck entfalten, dem nicht alle gewachsen waren. Darüber stritten wir auch und es tut mir leid, dass die Zeit vorbei ist, unsere Freundschaft zu erneuern.

"Engagiert für eine bessere Welt"

Christine Prayon, Kabarettistin

Winfried Wolf gehörte zu den Unermüdlichen, Rastlosen, Engagierten und das in einem Maß, dass es für mehrere Leben gereicht hätte. Selten sind wir uns persönlich begegnet, aber oft klopfte er digital an und bat um Unterstützung für seine Anliegen, seien es Protestappelle gegen Stuttgart 21, Solidaritätsbekundungen mit Griechenland oder die Herausgabe einer linken Zeitung. Ich habe ihn als durch und durch politischen Menschen wahrgenommen, als jemanden, der sich und seine Befindlichkeiten hinten anstellt und für den das Engagement für eine bessere Welt Lebensinhalt war. Menschen wie Winnie, die sich so mit Haut und Haaren "der Sache" verschreiben, trifft man sehr selten. Sein Tod macht mich betroffen.

"Ein echter Trotz-kist"

Peter Lenk, Bildhauer

"Gegen Dummheit kämpfen Götter selbst vergebens." Winfried hat es geahnt, doch nie aufgegeben. Ein echter Trotz-kist. Er ermöglichte durch unermüdliche Spendenaufrufe das S-21-Denkmal und bekommt darauf noch einen Ehrenplatz.

"Ein eigenständiger Kopf"

Guido Wolf, CDU-Politiker und Cousin

Winnie war ein eigenständiger Kopf, der allerdings in einer anderen politischen Welt lebte als ich. In der Jugend hatten wir unbeschwerte Begegnungen, die sich mit den Jahren auch durch räumliche Distanz verloren. Sein Leben folgte nach meiner Wahrnehmung einer großen inneren Unruhe. Wir beide haben uns zuletzt vor etwa drei Jahren zu einem Mittagessen getroffen. Diese persönliche und menschlich gute Begegnung prägt meine Erinnerung an ihn.

"Ein Revolutionär im besten Sinne"

Bernd Riexinger, MdB und Linken-Politiker

Winfried Wolf habe ich Ende der 90er Jahre auf einer Podiumsdiskussion getroffen. Er war Abgeordneter für die PDS in Baden-Württemberg, mit auf dem Podium saßen die damalige PDS-Vorsitzende Gaby Zimmer und ich als linker Gewerkschafter. Es ging um das neue Programm der PDS, das er und Gaby Zimmer verteidigten und ich als zu wenig links kritisierte. Es ist so eine Merkwürdigkeit der Geschichte, dass er vor der Fusion mit der WASG zur Partei Die Linke aus der PDS austrat, während ich mit Begeisterung die neue Partei mitbegründete. Er blieb ein aktiver Berater unseres linken Projekts. Winfried war ein toller Genosse, ein unbestechlicher Kämpfer für einen demokratischen Sozialismus, ein Vordenker für eine nachhaltige Mobilitätswende und ein Revolutionär im besten Sinne des Wortes. Er ist leider viel zu früh gestorben.

"Ein Freund, manchmal ein herber Freund"

Klaus Gietinger, Autor und Filmregisseur

Es war vor 30 Jahren, ich saß in der Bahn und las ein Buch, das mir der Verkehrswissenschaftler Heiner Monheim ans Herz gelegt hatte – Winfried Wolf: "Eisenbahn und Autowahn". Der Mann, der mir gegenüber saß, nahm mir das Buch plötzlich aus der Hand – ich dachte noch: "Was ist das für ein Idiot?" – schlug das Umschlagfoto auf und ich erkannte, dass mir der Autor persönlich gegenüber saß. Seitdem haben wir verkehrspolitisch immer zusammengearbeitet. Winnie war nicht nur ein unermüdlicher Netzwerker, ein undogmatischer linker Politiker. Er war insbesondere einer der besten Verkehrswissenschaftler der Republik, der schon von Verkehrswende sprach, als die meisten Grünen noch Weltmeister im Durch-die-Gegend-Fliegen waren. Sein Tod reißt in der Verkehrspolitik einen Abgrund. Nicht immer waren wir politisch einer Meinung, sei es Israel, sei es linker Antisemitismus. Doch meist waren wir d'accord, wenn es um die Kritik des "realen Sozialismus" ging, um die Wichtigkeit von Basisdemokratie und um Kriegsgegnerschaft – sei es der Kosovo-Krieg, sei es Afghanistan. Winnie war ein Freund, ein manchmal etwas herber Freund. Vor einem halben Jahr hatte unser Film "Das trojanische Pferd – Stuttgart 21" Premiere. Es ist sein filmisches Vermächtnis. Unser letztes Projekt, "Die Bahn – der Film", kann er nun nicht mehr begleiten. Das wird schwer für mich, aber es ist eine Verpflichtung.


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2 Kommentare verfügbar

  • Unseld Martine
    am 25.05.2023
    Antworten
    Es ist sehr traurig das er nicht mehr bei uns ist! Der war ein sehr aufrichtiger Mensch! Bis zu letzt war er überzeugt dass si mega Projekte wie ""Stuttgart 21" nichts gutes wird! Adele Winfried!
    Martine
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