Es gibt nicht nur Industrieromantik, sondern auch eine Romantikindustrie. "Den Heiratsantrag machen Sie Ihrer Partnerin natürlich mit einem Diamant-Verlobungsring. Das ist einfach so", informiert der Juwelenhändler Baunat und zeichnet in einem Blogbeitrag die Erfolgsgeschichte einer Marketingkampagne nach. Demnach beutelte der Börsencrash von 1929 auch die Schmuckproduzenten, weil sich angehende Bräute in diesen schwierigen Zeiten lieber mit Nützlichem als mit Luxus beschenken ließen. Das in London angesiedelte Unternehmen De Beers, heute für etwa ein Drittel der Weltproduktion von Rohdiamanten verantwortlich, konnte dabei nicht tatenlos zusehen und die beauftragte Agentur N.W. Ayer & Son hatte schließlich den rettenden Einfall: Nämlich sentimentale Gefühle geschickter für Werbezwecke zu instrumentalisieren.
"Eine emotionale Bedeutung für Diamanten", schreibt Baunat, "war ein Wettbewerbsvorteil, den kein anderes Produkt in Anspruch nehmen oder herausfordern konnte." Bei den Ambitionen wäre daher Bescheidenheit deplatziert: Es galt, "eine Situation zu schaffen, in der sich fast jeder, der einen Antrag macht, gezwungen fühlt, diesen mit einem Diamant-Verlobungsring zu festigen". Nach dieser aufschlussreichen Erläuterung, wie Konsumopfer entstehen, wird offenbar darauf vertraut, dass das Reflexionsvermögen des Publikums nicht mit einem beschlagenen Spiegel konkurrieren kann. Direkt unter dem Artikel findet sich ein Link zum hauseigenen Sortiment an Verlobungsringen, "besetzt mit einem oder" – besser noch! – "mehreren fabelhaften Diamanten".
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