Bei seiner ersten Reise nach Kabul im Jahr 2002 geriet Kurt-Wilhelm Stahl in helle Aufregung, als er zufällig Kranken begegnete mit schwärenden Wunden im Gesicht, an Armen und Beinen. Das hatte er nicht erwartet. Stahl wusste wegen seiner Tätigkeit am französischen Pasteur-Institut, dass er Hautleishmania-Infektionen vor sich hatte. Er wusste auch, dass die Krankheit nicht tödlich verläuft. Dennoch hat sie verheerende Auswirkungen: Wenn die Wunden schließlich abheilen, bleiben verwachsene Narben zurück, die im Gesicht zu verzerrenden Entstellungen führen können. "Für Frauen in Nordafrika oder im Nahen Osten können solche Entstellungen den sozialen Tod bedeuten", erklärt Stahl. Als "Gezeichnete" könnten sie nicht mehr heiraten, verheiratete Frauen mit solchen Narben könnten von ihrem Mann verstoßen werden.
Hautleishmaniose ist eine Krankheit der Armen in Afrika und im Nahen und Mittleren Osten. Sie ist, bei uns weitgehend unbekannt, mit dem Krieg und den Ratten massenhaft nach Syrien zurückgekehrt. Der weltweite Schwerpunkt der Hautleishmaniose ist Afghanistan. Die Weltgesundheitsorganisation WHO berichtet von 220 000 Neuinfektionen pro Jahr. Leishmanien sind einzellige Parasiten, die eine ganze Reihe von Erkrankungen der Haut, Schleimhaut oder inneren Organen auslösen können. Schlechte hygienische Verhältnisse, Krieg, Zusammenbruch des gesellschaftlichen Lebens und Mangel an Bildung begünstigen die Infektionen. Übertragen durch die Stiche von Sandmücken setzt der Erreger zuerst die körpereigenen Abwehrzellen außer Gefecht. Dort vermehren sich die Parasiten, es folgt eine Beule an der Einstichstelle, die schließlich aufbricht und, unbehandelt, über Monate eine offene Wunde bleibt, eine Eingangspforte für weitere Infektionen. Von der WHO empfohlen wird die Behandlung mit Antimonverbindungen, einem Gift, das dem Arsen ähnelt. Die Therapie ist teuer und körperlich sehr belastend. Patienten müssen bei komplexen Hautläsionen stationär im Krankenhaus bleiben.
Stahl entwickelte eine einfachere und viel billigere Therapie
"Zugelassene alternative Medikamente gibt es nicht", weiß Stahl. Hautleishmaniose sei eine von Forschung und Entwicklung vernachlässigte Krankheit – allerdings nicht, weil sie weltweit so selten wäre. Sie sei lediglich als Krankheit der Armen nicht attraktiv für die westlichen Pharmamärkte. Nach Deutschland gelangt Leishmania nur mit ein paar Touristen und Soldaten.
Stahl, dem agilen älteren Herrn, hat die Begegnung in Kabul keine Ruhe gelassen. Mit Unterstützung seines Freiburger Vereins "Waisenmedizin", der Bundesregierung, die etwas gegen das Infektionsrisiko für die eigenen Truppen in Masar-i-Scharif unternehmen wollte, und auch mit Hilfe der WHO baute er in Kabul ein Leishmania-Zentrum auf. Und er suchte nach einer Heilmethode, die weniger belastend und teuer ist, als die von der WHO empfohlene Behandlung mit Antimon.
Seine Idee war, auf die körpereigenen Selbstheilungskräfte zu setzen: nach Desinfektion der Hände und der Wundreinigung wird die Wunde verschlossen. So entsteht ein Schutz vor weiteren Infektionen, und dem Körper wird Zeit verschafft, die Leishmania erfolgreich abzuwehren. Auf Medikamente und einen Aufenthalt im Krankenhaus kann verzichtet werden. Den Wundverschluss erreicht Stahl mit einem Gel auf Basis von Gummi Arabicum, das er zusammen mit Pharmakologen entwickelt hat.
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