Aber die Kommunikation aller Beteiligten an S 21 sei himmelschreiend. "Wenn eine Stadt ein Projekt plant, das noch Jahrzehnte Nachwirkungen und Veränderungen bringt, muss man das doch mit den Leuten besprechen!" Mittlerweile wünscht er sich, dass irgendwer auch mal das Innenleben des Projekts, all die Prozesse, die dort stattfinden und es begleiten, so schön anschaulich visualisiert hätte wie er die Außenhülle. Aber? Pfeifendeckel.
1500 Leute seien betroffen von der Bohrerei und dem Gesprenge unterm eigenen Grundstück. "Das sind viele! Da hätte sich die Stadt Stuttgart doch mal kümmern müssen!" Ob er zur Volksabstimmung mit ja, also für eine Aussteig aus dem Projekt, oder mit nein gestimmt hat? Dazu mag sich Wolf nicht äußern. Das tue ja nichts zur Sache.
"Eigentlich bräuchte jeder Betroffene einen Anwalt, um überhaupt die Verträge zu verstehen, die da alle unterschreiben sollen, damit die Bahn die Grundstücke untertunneln darf." Zwangsenteignung, nennt er das. Die Bahn würde sich neue Grundstücke beschaffen, indem sie unter privaten Grundstücken durchbohrt. "Und die eigenen werden zu Bestpreisen verkauft."
Am Killesberg, das habe er zumindest gehört, soll die Bahn wie eine Drückerkolonne von Haustür zu Haustür gelaufen sein, habe ihre Verträge hingelegt und zu den armen Ahnungslosen gesagt, oh, kucken Sie mal, liebe Frau, Sie sind die Einzige, die noch nicht unterschrieben hat. Und bei ihm in Wangen gebe es eben auch Leute, die der Situation hilflos ausgeliefert seien. Auch für die sieht er sich in der Pflicht mit seinem Engagement.
Die Beweislastumkehr, das sei zum Beispiel auch so eine undurchsichtige Sache. Solange die Bahn, so erklärt es Wolf, unter seinem Haus bohrt und dann was auch immer passiert, ist es offensichtlich, dass die Bahn schuld ist. Wenn die Grabung aber schon unter des Nachbars Grundstück verläuft und das Wolf'sche Haus erst dann aufs Nachbarhaus kippt, ist der erste Augenschein nicht mehr gegeben, und die Wolfs müssen der Bahn nachweisen, dass ihr Haus umgefallen ist, weil die Bahn drunter gebohrt hat.
2003, erzählt Wolf, sei der hübsche Altbau, in dem er sein Büro hat, renoviert worden. 2013 habe er plötzlich einen Fleck an der Wand entdeckt. Wasserschaden. Zehn Jahre früher hat wohl einer eine Muffe von einer Leitung nicht richtig verschraubt. So lange kann es dauern, bis was passiert! "Und wer ist dann zuständig?"
Die Stadt sollte Rechtsbeistand für die Bürger sein
Der grüne Oberbürgermeister Fritz Kuhn, Nachfolger von Stuttgart-21-Freund Wolfgang Schuster, sagte bei seiner Wahl 2012, der Bahn müssen man auf die Finger schauen, erinnert sich der Visualisierer. "Jetzt sagt Kuhn: Wir können da auch nichts machen. Aber so eine Stadtverwaltung sollte doch Rechtsbeistand für die Bürger sein. Die Bahn hat ja auch einen Rechtsbeistand. Warum haben den die Bürger nicht?"
Und: Wenn die Bahn den Schall und Lärm für die Baustellen in ihren Gutachten schon nicht ausreichend berücksichtigt hat, fragt er sich, was ist dann später? Höre ich jeden Zug, der unter meinem Haus durchfährt? "Dann müsste die Bahn eigentlich so eine Art Lizenzgebühr bezahlen, für jeden Zug, der da unterm Haus durchdonnert, einen Cent oder so." Tut sie aber nicht. So gesehen ist das: "Der Hammer."
Und warum eigentlich kann nicht einfach nicht nachts gebohrt werden? Weil sie eh zu spät dran sind mit ihrem Zeitplan. "Hätten sie halt früher anfangen müssen!"
Und dann geht einer wie Wolf an die Presse. Und erzählt dem SWR das ganze Dilemma direkt in die Kamera. Man dürfe natürlich nicht überdramatisieren, sagt Erich Wolf, aber man müsse schon beide Seiten hören. Die Wolf'sche und die der Bahn. Als der Beitrag dann kam, sagt Wolf, sei er viel weniger kritisch gewesen, als gedacht. "Und der Projektsprecher darf unkommentiert ins Mikro sagen, dass das Problem, das wir mit dem Lärm haben, ein Graubereich ist. Und keiner widerspricht! Das ist kein Graubereich, es gibt doch Gesetze!" Dass er der Mann fürs Visualisieren des wunderbaren Tiefbahnhofs war, hat der Sender auch nicht verraten.
Hätte Erich Wolf vorher gewusst, wie sich das anfühlt, so Sprengungen und Bohrungen unterm Hintern, wie es ist, wenn man plötzlich selbst über den Tisch gezogen und beschissen wird, wie es ist, nicht gehört zu werden, nur immer gesagt zu bekommen, es sei doch alles genehmigt, dann wäre er nicht für das Projekt gewesen, sagt er.
Zu spät.
18 Kommentare verfügbar
andromeda
am 25.11.2015in die S21-PR- Abteilung !! Ich bin schon jetzt glühender und lebenslänglicher Anhänger seiner Pressearbeit für Syssiphus 21 . Ein Vorbild für Herrn Wolf und jeden anständigen Bürger !