Lange zierte sich der drittgrößte deutsche Energieversorger, vor Gericht zu ziehen. Erst einen Tag vor Heiligabend 2014, kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist, reichte die Energie Baden-Württemberg (EnBW) Klage beim Landgericht Bonn ein. Sowohl gegen die Bundesrepublik Deutschland als auch gegen einen ihrer beiden Großaktionäre, das Land Baden-Württemberg. Vor dem Kadi will der Konzern Schadenersatz für das Abschalten seiner Altmeiler Philippsburg I (KKP I) und Neckarwestheim I (GKN I) im Zuge des Atom-Moratoriums vor vier Jahren erstreiten. Im März 2011, kurz nachdem die vier Reaktoren des japanischen Kernkraftwerks Fukushima außer Kontrolle geraten waren, hatte die Bundesregierung verfügt, alle 17 deutschen Atomkraftwerke einer Sicherheitsprüfung zu unterziehen und dazu die sieben ältesten Kraftwerke sowie das Atomkraftwerk Krümmel drei Monate lang stillzulegen. Noch während das Moratorium lief, beschloss der Bundestag den endgültigen Ausstieg aus der Atomenergie. Nach der dreimonatigen Stilllegung wurde keiner der abgeschalteten Altmeiler wieder hochgefahren.
Im Gegensatz zur EnBW beschritten die Wettbewerber schneller den Klageweg. Allen voran RWE, die bereits am 1. April 2011 eine 235 Millionen Euro schwere Klage wegen der Stilllegung des AKW Biblis beim Verwaltungsgerichtshof Kassel einreichte und zwischenzeitlich auch Recht bekommen hat. Am 1. Oktober 2014 folgte Eon und verlangte vor dem Landgericht Hannover 380 Millionen Euro für das Herunterfahren der Meiler Unterweser und Isar 1. Einen anderen Kurs schlug Vattenfall ein: Der staatliche schwedische Energiekonzern zog 2012 vor ein internationales Schiedsgericht, um sogar 4,7 Milliarden Euro für das Herunterfahren der als Pannenreaktoren bekannten Kraftwerke Brunsbüttel und Krümmel im Zuge des Atomausstiegs einzuklagen. Das Verfahren läuft noch.
Anders als die Konkurrenz verheimlichte die fast vollständig in öffentlicher Hand befindliche EnBW zunächst den Betrag, für den man Staat und Miteigentümer vor Gericht zerrte. "Der Schaden, der der EnBW durch die rechtswidrigen Anordnungen für die Kernkraftwerke KKP 1 und GKN I entstanden ist, liegt in der Bandbreite eines niedrigen dreistelligen Millionenbetrags", verkündete die Karlsruher Konzernzentrale nur nebulös. Erst Monate später sickerte die tatsächlich geforderte Summe durch. Am 11. März, genau vier Jahre nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima, zitierte die "Stuttgarter Zeitung" aus der unter Verschluss gehaltenen, 90-seitigen Klageschrift, wonach die EnBW 261 191 024 Euro und 49 Cent, zusätzlich rund 10 Millionen Euro Zinsen jährlich, einklagt. Darüber hinaus will man gerichtlich feststellen lassen, dass sämtliche derzeit noch nicht bezifferbaren Schäden ersetzt werden.
6 Kommentare verfügbar
CharlotteRath
am 09.07.2015Da gibt es als erstes die Steuerzahler, die reinweg nur zu zahlen haben. Egal für was, egal wieviel. Ob sie wollen oder nicht.
(Und es gibt leider auch immer mehr Menschen in Deutschland, denen ein Leben in Würde staatlicherseits massiv erschwert wird).
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