Made Höld, fast fünfzig, ein stattlicher Kerl mit zerzauster grauer Matte und Nickelbrille, sitzt zwischen Fenstern mit Zimmerpalmen und einem Sammelsurium aus Konzertplakaten und Aufklebern an den Wänden vor seinem Pils. Um ihn herum wabert eine süße Wolke aus Zigarillo-Rauch. "Unser Bundespräsident spricht immer von Zivilcourage. Und wo ist seine?", fragt er.
Made heißt eigentlich Martin. Made haben sie ihn im Kindergarten genannt, weil es da drei Martins gab und irgendwann eben der Made eingebürgert war. Er ist ein gemütlicher Typ, Vater von fünf Kindern, der in der Druckerei im Zentrum für Psychiatrie Weissenau arbeitet. Und einer, der die Welt verdammt ungerecht findet. Zu Recht! Aber er nimmt's mit Humor und ändert nach Kräften, was er innerhalb seines kleinen Kosmos so tun kann. "Leute, die Steuern hinterziehen, tragen wir auf Händen, und so einen, der die Welt aufklärt, lassen wir fallen wie eine heiße Kartoffel", sagt er. Und wenn sich die Politik schon nicht an bestehende Gesetze hält, warum sollen es dann alle anderen tun? "Lachnummer, immer wieder. Und alle ducken sich weg."
Seine Heimat sind Wunsiedel (Protest gegen Nazi-Aufmärsche), Wackersdorf (Protest gegen Wiederaufarbeitungsanlage), Occupy und Blockupy (Protest gegen Finanzspekulation). Kürzlich hatten ein Arbeitskollegen und er die Idee für einen zusätzlichen Urlaubstag in der Psychiatrie. Jetzt bekommen die Angestellten 31 Tage frei, einen mehr als zuvor. Zur Bundestagswahl 2005 kandidierte er parteilos, weil er fand, eine Regierung müsse für das Volk da sein, kein Interesse an Macht haben und Minderheiten berücksichtigen. Er bekam 2879 Stimmen, immerhin. Sozial, ökologisch, regional, das sind seine Themen. Er habe sogar mal ein PC-Programm entwickelt, Anti-Stasi 2.0. Es soll beim Surfen im Internet so viele Daten anhäufen, dass kein Mensch mehr durchblickt. "Das Programm ist heute aktueller denn je", sagt er und kichert, wie ein kleiner Junge.
Momentan bastelt er mit anderen an einer <link http: www.oberschwabenistbunt.de _blank>digitalen Menschenkette gegen rechts, weil er normale Menschenketten zwar gut findet, "aber irgendwie auch scheiße, weil da Leute von weiß der Geier woher angekarrt werden, um sich an den Händen zu halten. Ökologisch totaler Mist", meint Made. Dann kichert er wieder. Made kichert eigentlich ziemlich oft, und wenn man ihn so reden hört, hat man das Gefühl, dass dieser Mann eigentlich verdammt gut gelaunt ist, dafür, dass es der Welt so beschissen geht.
Snowden-Asyl kostet den deutschen Steuerzahler nichts
Made ist der Erste Vorsitzende des Vereins der Freunde der Räuberhöhle und er ist derjenige, der vergangene Woche <link file:2291>ans Bundespräsidialamt geschrieben hat mit dem Angebot, Snowden aufzunehmen. Für die Unterbringung des Whistleblowers in der Räuberhöhle würden der Verein und seine Mitglieder finanziell aufkommen. "Für den Deutschen Staat fallen keinerlei Kosten an."
"Naja", sagt Made nachdenklich, "die Chancen stehen zugegebenermaßen nicht so toll." Er drückt seinen Zigarillo in den Aschenbecher und zündet sich einen neuen an. Auf alle Fälle würde ein Asyl für Snowden doppelt segensreich wirken. Erstens: Er wäre vor russischen Folterknechten und rachegeilen US-Amerikanern sicher. Und zweitens: Die Räuberhöhle wäre vor dem drohenden Aus gerettet. Denn die Aufnahme des Aufklärungshelden wäre an die Bedingung gekoppelt, die Räuberhöhle zum exterritorialen Gebiet zu erklären. Und dann müsse natürlich die Besitzfrage neu geklärt werden. Denn momentan gehört die Räuberhöhle noch Lorenz Schlechter und seiner Inselbrauerei-Vermögensverwaltung. Der einstige Brauereichef will aus dem Gebäude, das sich in die Straßenecke unter der Burg quetscht, ein Hotel machen. Oder ein paar Penthouse-Wohnungen, so genau weiß das keiner. Profit gegen Kultur eben. Wieder mal. Der Pachtvertrag der Räuber läuft noch bis Ende Dezember 2013.
Hinterm Haus, dort wo mal der Biergarten war, hat der Eigentümer schon zwei Linden fällen lassen für eine Tiefgarage. Seitdem ist da ein umzäuntes Loch, in dem meterhohes Unkraut wuchert.
Die Räuber haben zum Erhalt ihrer Höhle einen Verein gegründet, der mittlerweile mehr als 100 Mitglieder zählt und innerhalb eines Jahres zahlenmäßig unter die Top Ten der Ravensburger Vereine gerückt ist. Da gibt es Professoren, Hartz-IV-Empfänger, Lehrer, Ingenieure. Der Verein hat sogar eine halbe Million für die denkmalgeschützte Kneipe samt renovierungsbedürftigem Hinterhaus geboten, damit die Höhle so bleibt, wie sie ist. Aber das entlockte Schlechter nur ein müdes Lächeln. "Räuberhöhle voll renoviert, wär keine Räuberhöhle", sagt Made Höld. Eine ähnliche Meinung vertritt mittlerweile sogar Oberbürgermeister Daniel Rapp (CDU), natürlich viel diplomatischer.
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Ravensburger
am 27.11.2013