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Wenn Gewalten aufeinandertreffen

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Als "vierte Gewalt" im Staate neben Exekutive, Legislative und Judikative gilt die Presse. Journalismus hat eine Kontrollfunktion, soll den Mächtigen auf die Finger schauen. Wir von Kontext haben das im besten Wissen und nach allen journalistischen Standards getan. 2018 berichtete Kontext-Redakteurin Anna Hunger, was ein damaliger Mitarbeiter zweier AfD-Abgeordneter in Facebook-Chats mit NPD-Funktionären und anderen Rechtsradikalen so schrieb: nämlich ziemlich rassistisches, antisemitisches und Nazi-verherrlichendes Zeug. Der Mitarbeiter klagte dagegen. Zwei Mal hat Kontext vor Gericht gewonnen. Nun entschied am vergangenen Donnerstag die Pressekammer des Oberlandesgerichtes in Frankfurt am Main gegen Kontext: Alle entsprechenden Artikel müssen gelöscht oder unkenntlich gemacht werden, außerdem müssen wir Schadensersatz zahlen und die Gerichtskosten übernehmen. Was uns (und unsere Anwält:innen) dabei wirklich – sagen wir mal – irritiert, ist die Urteilsbegründung. Mehr zu Prozess und Urteil hier. Übrigens: Seit 2022 beobachtetet der Verfassungsschutz den AfD-Landesverband im Südwesten als rechtsextremistischen Verdachtsfall. Dagegen klagte die Partei, doch das Stuttgarter Verwaltungsgericht wies die Klage vergangene Woche als unbegründet zurück, weil die für die Beobachtung "notwendigen tatsächlichen Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung vorliegen".

Amerikanische Verhältnisse

Vor dem Gesetz sind alle gleich, so steht es im Grundgesetz und in der US-Verfassung. Doch für Präsident Donald Trump gilt das offenbar nicht – zumindest, wenn es nach ihm geht. Auf Grundlage eines Gesetzes aus dem Jahr 1798 ließ er Mitte März etwa 300 Venezolaner:innen, mutmaßliche Kartellmitglieder, nach El Salvador abschieben, wo sie in einem berüchtigten Hochsicherheitsgefängnis landeten. Bundesrichter James Boasberg aus Washington hat das untersagt – zu spät, hieß es aus dem Weißen Haus. Die Flugzeuge seien zum Zeitpunkt des Richterspruchs bereits außerhalb des amerikanischen Luftraumes gewesen. Der Präsident beschimpfte auf seinem eigenen Netzwerk "Truth Social" Boasberg als "durchgeknallten linksradikalen Richter".

Nicht nur in den USA, auch auf unserem Kontinent reiben sich Top-Politiker:innen an der Justiz. Die französische Rechtspopulistin Marine Le Pen wurde wegen Veruntreuung von über drei Millionen Euro von der EU für schuldig befunden und darf deshalb die nächsten fünf Jahre nicht zur Präsidentschaftswahl antreten. Die 56-Jährige spricht von einem "politischen Urteil" und kündigte an, dennoch irgendwie bei der nächsten Wahl 2027 antreten zu wollen. Solidarität erfährt sie – wenig überraschend – von anderen Rechtspopulisten wie dem ungarischen Staatsoberhaupt Viktor Orbán, dem italienischen Vizeministerpräsidenten Matteo Salvini und natürlich Donald Trump und dessen rechter Hand Elon Musk. Auch der ehemalige französische Präsident Nicolas Sarkozy hat (mal wieder) Ärger mit der Justiz. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 70-jährigen Konservativen vor, im Jahr 2007 für seinen Wahlkampf Millionen von Euro vom lybischen Diktator Muammar al-Gaddafi erhalten zu haben. Ihm drohen bis zu sieben Jahre Haft, eine Geldstrafe von 300.000 Euro und ebenfalls ein Entzug des Wahlrechts für fünf Jahre. Sarkozy bestreitet alles und wirft der Staatsanwaltschaft vor, es gehe ihr lediglich darum, nicht das Gesicht zu verlieren. Aber immerhin spricht er nicht von "politischer Justiz", sondern verkündet: "Ich werde weiterhin mit allen Mitteln für die Wahrheit kämpfen und an die Weisheit des Gerichts glauben."

Für Belustigung sorgt dieser Tage in Deutschland ein Fall, der bereits etwas länger zurückliegt: Im Juli 2024 wurde CDU-Politiker Armin Laschet in seiner Heimatstadt Aachen mit Tempo 97 geblitzt, erlaubt waren 50. Er habe Gas gegeben, weil ihn Unbekannte beim Einsteigen ins Auto beobachtet und dann verfolgt hätten, erklärt er. Da die Verfolger nicht ermittelt werden konnten, zahle er nun die Strafe von 428,50 Euro, sagte er der "Bild", und: "Haken dran." Hinzu kommen zwei Punkte in Flensburg und ein Monat Fahrverbot.

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1 Kommentar verfügbar

  • Jue.So Jürgen Sojka
    am 02.04.2025
    Antworten
    Galt bisher als "vierte Gewalt" im Staate neben … übrigens: _alle 5 Gewalten_ aus dem 6. Organ der Gewaltenteilung "bestückt"!!!

    Gewaltenteilung ist da lediglich eine der wesentlichen Grundlagen – wobei, es haben
    sechs __funktionierende__ Organe der Gewaltenteilung in einer Demokratie zu…
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