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Schlachten für Deutschland

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"Augen, meine lieben Fensterlein, gebt mir schon so lange holden Schein, lasset freundlich Bild um Bild herein: Einmal werdet ihr verdunkelt sein!" Hat Gottfried Keller irgendwann mal gedichtet. Dass massive "Verdunklungsgefahr" durchaus auch sehende und offene Augen betrifft, haben am vergangenen Wochenende diverse "Querdenken"-Vertreter:innen eindrucksvoll bewiesen. Auf einer Demo mit Neonazis. Neonazis? Wo? Wir sehen hier keine, war da zu hören. Während gerade ein Trupp originaler Glatzen mit dem hiesigen Corona-Demo-Restbestand "Gemeinsam für Deutschland" und gegen die Meinungsdiktatur durch Stuttgart marschierte. Einer davon, offenbar Metzger, mit Hackebeilen und Spruch auf dem Shirt: "Wir schlachten für Deutschland". Heidenei. Unser Redakteur Korbinian Strohhuber war dabei und ziemlich entgeistert.

Wie es aussieht, wenn Meinungsfreiheit tatsächlich eingeschränkt wird, zeigt sich derzeit in der Türkei. In Istanbul demonstrieren Hunderttausende Menschen gegen die Verhaftung des dortigen Bürgermeisters Ekrem İmamoğlu und die Allmachtsphantasien des Präsidenten. "Wie beurteilen Sie die Lage?", fragt unsere Autorin Johanna Henkel-Waidhofer den ehemaligen grünen Landwirtschaftsminister und Stuttgarter Cem Özdemir in dieser Ausgabe. "Erdoğan hat Angst vor der nächsten Präsidentschaftswahl", meint Özdemir und erinnert daran, dass der türkische Präsident schon früher Konkurrenz aus dem Weg geräumt hat.

Thematisch komplexer als bei Nazis und "Querdenkern" war's dann bei der Montagsdemo gegen Stuttgart 21 Anfang der Woche, der 750sten. "Ich empfinde großen Dank und Respekt für den langen Atem, mit dem Sie seit Jahren gegen Stuttgart 21 kämpfen", sagte in seiner Rede auch Markus Wissen, Politikwissenschaftler an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin, um dann aufs große Ganze inklusive Sonderschulden-Vermögen umzuschwenken: "Wenn wir das Militär mit Geld überschütten können, warum sollten dann im Gesundheitsbereich, in der Bildung, der Pflege, der Kultur oder dem ÖPNV – also in all jenen Bereichen, auf die wir alle angewiesen sind und die das Leben zu einem guten Leben machen – schlechte Arbeitsbedingungen und Sparzwänge herrschen?" Hier die ganze Rede, lesenswert.

Luigi Pantisano, den es als Linken aus dem Stuttgarter Gemeinderat nun frisch in den Berliner Bundestag katapultiert hat, schlägt in eine ganz ähnliche Kerbe. Im Gespräch mit Gesa von Leesen sagt der neue Abgeordnete: "Wenn Menschen fliehen, fliehen sie auch, weil wir Waffen produzieren und sie in die ganze Welt exportieren."

Wie Yaser Aldebsh. Er ist 2015 aus der nordsyrischen Großstadt Aleppo geflohen, als immer mehr Männer in seiner Nachbarschaft für die Armee des Diktators Baschar al-Assad geholt wurden. Heute, wo das Wort "Migration" – und das von Nazis gegrölte Pendant "Remigration" – zum Kampfbegriff geworden ist, lebt er in Ravensburg und ist Busfahrer. "Ich freue mich, dass ich jetzt alles selber bezahlen kann und nicht mehr danke sagen muss", berichtet er unserem Autor Wolfram Frommlet.

Als der Mann sich damals, dreieinhalbtausend Kilometer entfernt von Stuttgart, mit seinem Sohn auf den Weg nach Europa machte, tat's in der schwäbischen Landeshauptstadt einen Schlag: Das Magazin "Musikexpress" fand damals, Stuttgart sei das neue Seattle. Warum das so war und was davon geblieben ist, lesen Sie hier.

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