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Merkels Mahnwache

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Hoppla! Die Mahnwache ist für den deutschen Engagement-Preis nominiert – Kategorie Schwerpunkt 2012: Engagement vor Ort. Das ist prima, und die Leute, die sich nun seit mehr als zwei Jahre den Hintern abgefroren und die Schweißperlen von der Stirn gewischt haben, haben es wirklich verdient.

Hoppla! Die Mahnwache ist für den Deutschen Engagementpreis nominiert – Schwerpunktkategorie 2012: Engagement vor Ort. Das ist prima, und die Leute, die sich nun seit mehr als zwei Jahre den Hintern abgefroren und die Schweißperlen von der Stirn gewischt haben, haben es wirklich verdient.

Der Fußballer Cacau wirbt für den Preis, Alfred Biolek, Michael Stich – und Angela Merkel. Aber hatte die nicht mal gesagt, wenn Stuttgart 21 nicht gebaut würde, "dann würde es dazu kommen, dass wir als nicht mehr verlässlich gelten"? Und hatte sie nicht einmal Jürgen Trittin angegiftet, die Grünen seien doch immer so sehr für's Bahnfahren, nur wenn es schwierig werde, wären sie dagegen? Hm.

Hauptsponsor des Preises ist zwar das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und nicht die Bundesregierung an sich, seltsam scheint es aber doch, die Mahnwachen-Nominierung rechtsschräg unter dem Foto von Angela Merkel auf der Homepage des Engagementpreises zu finden, weil sich so eine Bundeskanzlerin eben immer gut macht als Werbeträger. "Die Freiheit, mit gestalten zu können, ist ein unschätzbarer Wert", darf sie da sagen. "Deshalb setze ich mich gemeinsam mit der Bundesregierung dafür ein, bürgerschaftliches Engagement weiter zu stärken." Das ist schön. Vor allem, dass die Kanzlerin sich auch zur Unterstützung von Bürgerschaft hinreißen lässt, die nicht Menschen mit Behinderung integriert, die keine Mentoren-Programme für Hauptschüler anbietet, sondern Bürgerschaft, die ihr selbst seit Jahren in den Hintern tritt und am Stuttgarter Bahnhof ein weithin sichtbares Denkmal der Unzufriedenheit mit der eigenen Regierung errichtet hatte. 

Natürlich ist es keinem und vor allem nicht der Bundeskanzlerin anzukreiden, wenn er oder sie sich für einen Preis einsetzt, der tolle, engagierte und mutige Menschen auszeichnet. Aber irgendwie hat gerade das Verhältnis von Mahnwache zu Angela Merkel, wenn man's genau nimmt, etwas von einem schlechten Scherz, einer Spur Süffisanz und Heuchelei. "Die Freiheit, mit gestalten zu können, ist ein unschätzbarer Wert." Meint: soziales Ehrenamt ist prima, kostet ja nix. Unschätzbar für die Politik dagegen ist meist und vor allem im Falle Stuttgart 21, wenn das Volk die Klappe hält und sich aus politischen und wirtschaftlichen Belangen möglichst raushält. Hört sich halt nicht so gut an, auf einer Preishomepage.

Die Mahnwache musste kürzlich umziehen, weil die Bahn (mit freundlicher Unterstützung der Kanzlerin) weiter an ihrem Tiefbahnhof baut. Angela Merkel, wie sie da von der Homepage auf die Nominierten herabschaut, scheint gewonnen zu haben. Sollte die Mahnwache in der Online-Abstimmung gewinnen, ja was dann? Dann wird sie auch nicht wichtiger, sondern auch irgendwann im Bahnhofsloch in Stuttgart-Mitte versinken. Aber immerhin: preisgekrönt. 

Aber hey, es gibt ja noch mehr engagierte Projekte, für deren Auszeichnung die Kanzlerin den Kopf hinhalten könnte: Wir hätten da noch ein bürgerschaftliches Engagement in <link internal-link>Florenz anzubieten. Und da sich Frau Merkel und Herr Monti mittlerweile einig sind, gemeinsam gegen die europaweite Verschuldung vorzugehen, könnte man hier ja mal anfangen zu sparen.


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